Die Ergebnisse unserer brandaktuellen Studie unter 200 mittelständischen Unternehmen sprechen eine eindeutige Sprache. Mehr als die Hälfte der oft familiengeführten Firmen hat erhebliche Zweifel, dass der Mittelstand in aktueller Stärke Bestand hat. Ein Viertel der Befragten sieht mit Blick auf die Zukunft regelrecht „schwarz“, weil Betriebe schrumpfen, aufgeben oder aufgekauft werden – ohne dass sich in ausreichender Anzahl mittelständische „Start-ups“ zu etablierten Playern entwickeln.
Bürokratie und unflexibles Arbeitsrecht als Achillesfersen
Was den Unternehmen – die oft eine eindrucksvolle Historie, spezialisierte Produkte höchster Güte und eine äußerst loyale Belegschaft vorweisen können – so zu schaffen macht, ist ein ganzes Bündel globaler wie regionaler „Stressoren“. Neben globalen Handelskonflikten und Fachkräftemangel werden die Firmen von der Regulierungs- und Bürokratielast am Heimatstandort gegeißelt. Lange Genehmigungsverfahren, hohe Energiekosten, ausufernde Dokumentationspflichten und strenge Energie- sowie Klimaschutzauflagen bremsen die Unternehmen massiv aus.
Auch das starre Arbeitsrecht hierzulande bringt den befragten Unternehmen deutliche Wettbewerbsnachteile – und zwar in solchem Maße, dass die Mittelständler, die bis 2027 Personal abbauen müssen, ganz deutlich sagen: mit flexiblerem Arbeitsrecht wäre ein Abbau in diesem Umfang nicht nötig. So aber plant jedes sechste befragte Unternehmen, seine Personaldecke bis 2027 spürbar verschlanken. Von diesem Abbau betroffen sind vor allem die deutschen Standorte: Rund 75 Prozent der wegfallenden Stellen entfallen auf diese, 40 Prozent auf die Stammsitze.
Düstere Aussichten für den Heimatstandort – Neudefinition des Headquarters nötig
Dieser „Aderlass“ am Heimatstandort verdeutlicht einmal mehr: der Mittelstand braucht eine Transformation – und das Headquarter eine neue Rolle. Hier müssen die strategischen Weichen gestellt und die globale Organisation sowie die verteilte Innovation gesteuert werden. Dies kann und sollte jedoch auch bedeuten, dass im Rahmen von dezentralen Strukturen die Frage nach dem Grad der Eigenständigkeit von Regionen oder Ländern in Bezug auf Technologie und Innovation beantwortet wird. Denn „Made in Europe“ ist nur dann erfolgreich, wenn in ausländischen Märkten die Kundenbedarfe schnell und optimal erfüllt und flexibel auf Entwicklungen reagiert werden kann.
Strategisch in der alten Welt verhaftet – bei KI-Investitionen zu zögerlich
Trotz neuer weltwirtschaftlicher Parameter hält die Mehrheit der Mittelständler weiter an traditionellen Strategien fest und fokussiert sich auf Umsatzwachstum und Expansion. Sechs von zehn Unternehmen stellen Umsatzwachstum (deutlich) vor Renditeoptimierung. Ein Drittel verfolgt eine ausgewogene Strategie, und nur zehn Prozent setzen einen klaren Margenfokus, arbeiten also stärker an der Renditeoptimierung als am Umsatzwachstum.
Ein strategisches „weiter so“ ist bei dem anhaltend hohen Kosten- und Wettbewerbsdruck nicht ratsam. Natürlich gilt es, bestehende Kapazitäten auszulasten und hierfür notfalls auch geringere Renditen in Kauf zu nehmen. Dennoch sollte die eigene Kostenstruktur nun konsequent optimiert werden, um so Freiraum für notwendige Investitionen zu schaffen. Denn genau diese Investitionen, beispielsweise in künstliche Intelligenz, wird es brauchen.
Gerade künstliche Intelligenz könnte eine entscheidende Rolle spielen, um Managemententscheidungen zu optimieren und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Doch der Mittelstand, bekannt für seinen Innovationsgeist, zeigt sich hier überraschend zögerlich. Während Großunternehmen jährlich 0,5 Prozent ihres Umsatzes in KI investieren, sind es bei Mittelständlern nur 0,4 Prozent – eine verpasste Chance.
Der Beständigkeit verpflichtet, der Tradition verhaftet
Die Charakteristika des Mittelstands – Langfristigkeit, Stabilität und Beständigkeit – haben den Unternehmen über Jahrzehnte hinweg Erfolg beschert. Doch in einer Zeit, die von Dynamik und Disruption geprägt ist, kann diese Tradition auch zur Belastung werden. Laut unserer Studie hat sich in jedem vierten Unternehmen bereits gezeigt, dass das Festhalten an überholten Strukturen und Denkweisen Transformationen erheblich erschwert bis hin zu torpediert. Beispielsweise werden unrentabel gewordene Geschäftsbereiche aufgrund fehlenden externen Drucks – etwa durch Investoren – zu lange weitergeführt. Insbesondere bei familiengeführten Unternehmen kann der historisch starke Einfluss der Eigentümer auch eine Herausforderung sein, wenn es darum geht, die zukunftsweisenden Veränderungen für das Unternehmen vorzunehmen und ggf. historisch gewachsene Überzeugungen anzupassen.
Jetzt handeln: Der Wandel duldet keinen Aufschub
Bis 2030 steht bei rund jedem zweiten familiengeführten Mittelständler ein Generationswechsel in der Geschäftsführung an. Weitere 44 Prozent planen, die Leitung an ein externes Management zu übergeben. Doch die Zeit drängt, und es ist nicht empfehlenswert, diesen Wechsel abzuwarten: Der Wandel muss jetzt eingeleitet werden. Es gilt, die strategischen Weichen zu stellen, Transformationen konsequent voranzutreiben und die Unternehmen fit für die Zukunft zu machen.
Nur wenn der Mittelstand entschlossen handelt – sei es durch die Anpassung des Produktportfolios, gezielte Technologieinvestitionen oder die Optimierung von Kostenstrukturen – wird er auch in den kommenden Jahrzehnten das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bleiben.
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Heiko Fink
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