

Arndt G. Kirchhoff, Vorsitzender des Aufsichtsrats der KIRCHHOFF Gruppe, kennt die Bedeutung von regionaler Verwurzelung in einer globalisierten Welt. Im Interview beleuchtet er, wie Familienunternehmen durch Innovationskraft, nachhaltige Planung und enge Mitarbeiterbindung den Herausforderungen der Transformation begegnen.
Die KIRCHHOFF Gruppe wurde vor 240 Jahren gegründet und hat sich zum Global Player mit 13.500 Mitarbeitenden auf fünf Kontinenten entwickelt. Was waren aus Ihrer Sicht die entscheidenden Erfolgsfaktoren für dieses Wachstum? :
KIRCHHOFF Deutschland war lange Zeit Exportweltmeister. In den letzten Jahrzehnten hat es die Globalisierung ermöglicht, dass sich die Unternehmen zunehmend auf der ganzen Welt lokalisiert haben. So konnten auch wir auf allen fünf Kontinenten Produktionsstätten aufbauen, die Märkte zusammen mit unseren Kunden erschließen, unser Know-how teilen und neue Arbeitsplätze schaffen – beispielsweise auch in China, wo die Kaufkraft parallel stark gestiegen ist.
Welche Rolle spielt dabei, dass das Unternehmen seit vier Generationen familiengeführt ist? :
KIRCHHOFF Familienunternehmen haben generell eine DNA, so auch die Unternehmen der Familie Kirchhoff, die langfristig und nachhaltig plant und denkt. Das Hauptziel ist es, das Unternehmen in die nächste Generation zu überführen und nicht die kurzfristige Erfolgsbilanz. Da Familienunternehmen in der Regel keinen Zugang zum Kapitalmarkt haben, müssen sie das Geld erst verdienen, bevor sie es wieder reinvestieren können.
Und welche sind die größten Herausforderungen, um als Global Player und Familienunternehmen mit regionalen Wurzeln erfolgreich Transformationen zu meistern? :
KIRCHHOFF Die Herausforderungen der Transformation sind für alle Unternehmen mehr oder weniger gleich. Die rasante Entwicklung der Digitalisierung, Massendatenverarbeitung, Robotik, Automatisierung oder auch Prozesssteuerung mithilfe der künstlichen Intelligenz, sind – auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, der Gleichzeitigkeit und der Komplexität – für alle Unternehmen und deren Belegschaft eine große Herausforderung. Wir werden sehen, inwieweit die Familienunternehmen und der Mittelstand, wie schon oft in der Geschichte, schneller sein können und am Ende erfolgreicher. Die Bindung zwischen Unternehmen und Belegschaft ist in der Regel besonders hoch, was man an geringen Fluktuationszahlen, besonders in Krisen, ablesen kann.
Sie haben unter anderem Werke in den USA, in China und in Mexiko. Wie meistert die KIRCHHOFF Gruppe den Spagat zwischen zentraler bzw. lokaler Unternehmenssteuerung und dezentralem weltweiten Netzwerk? :
KIRCHHOFF Wir haben eine Matrixorganisation mit zentralen und lokalen Verantwortungen, die durch ein Executive Board geführt wird und in der auch die Regionen vertreten werden. Vor vielen Jahren haben wir eine Visionen- und Werte-Fibel mit allen Belegschaftsgliederungen erarbeitet, gemeinsam beschlossen und leben sie seitdem. Jeder neue Mitarbeiter oder Auszubildende wird vom ersten Tag mit unseren Unternehmenswerten vertraut gemacht und verpflichtet sich, nach diesen zu handeln. So ist sichergestellt, dass wir uns jederzeit und kulturübergreifend mit Respekt, auf Augenhöhe und vertrauensvoll begegnen.
Gemeinsam mit der Volkswagen AG haben Sie den renommierten Schwedischen Stahlpreis 2025 für innovative Produkte gewonnen. Welche Bedeutung hat Innovationskraft für Sie? Wie stellen Sie diese sicher? :
KIRCHHOFF Ausbildung und Fachausbildung ist die Grundlage für Innovationen. Nur mit Innovationen hält man sich langfristig im Wettbewerb. Insbesondere dann, wenn man aus einem teuren Standort heraus konkurrieren muss. So ist bei uns die Materialentwicklung mit den Zielen Nachhaltigkeit und geringerer Ressourcenverbrauch, auch Leichtbau genannt, ein zentrales Ziel.
Wie sichern Sie sich als Familienunternehmen mit Zentrale in Iserlohn, das 35 Kilometer entfernt von der nächsten Großstadt (Dortmund) ist, die nötigen Fachkräfte im Headquarter? :
KIRCHHOFF Die meisten Industrieunternehmen sind nicht in der Großstadt oder in Großstadtnähe, sondern in den Regionen angesiedelt, so auch wir in Südwestfalen, Niedersachsen, Sachsen, Rheinland-Pfalz oder dem Saarland. Viele Menschen haben erkannt, dass das Leben in der Großstadt nicht nur sehr teuer ist, sondern dass der Freizeitwert und die Bedingungen, um eine Familie aufzubauen, in der Region insgesamt oftmals viel attraktiver sind. Insofern ist die Attraktivität für Fachkräfte in den Regionen, in denen wir zu Hause sind, sehr hoch. Und wer das Großstadtleben bevorzugt, kann an unsere Standorte pendeln.
Der Mittelstand gilt als Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Wie sehen Sie seine Zukunft? :
KIRCHHOFF Für das Noch-Industrieland Deutschland ist, neben der dualen Ausbildung sowie den angesehenen Universitäten und Forschungseinrichtungen, der Mittelstand mit seinen typischen Fertigungsverbünden und regionalen Netzwerken ein besonderes Merkmal, das Sie in der Ausprägung in kaum einem anderen Land der Welt wiederfinden. Das ist ein wesentlicher Grund für die starke Stellung Deutschlands in vielen Branchen weltweit und für die vielen Weltmarktführer oder Hidden Champions, die wir hier in Deutschland haben.
Was oft übersehen wird und in Debatten zu kurz kommt: Der Mittelstand – und das sind über 90 Prozent Familienunternehmen – ist gleichzeitig Rückgrat des gesellschaftlichen Zusammenhalts in den Regionen, da die Firmen sich oft stark im Vereinsleben und in der Kultur engagieren. Dieser Zusammenhalt ist neben Innovation, Beständigkeit und Sichtbarkeit ein entscheidender ökonomischer Faktor.
Dafür, dass das auch in Zukunft so bleibt, setzen wir uns leidenschaftlich ein – um unseren Sozialstaat zu erhalten, leistungsfähiger zu machen, die Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen und die strukturellen Probleme zu beseitigen. Hauptangriffsfelder sind die überbordende Bürokratie, die vernachlässigte Infrastruktur und der zu geringe Grad der Digitalisierung in den Verwaltungen.
Über Arndt Kirchhoff
Arndt G. Kirchhoff ist seit 2020 Vorsitzender des Aufsichtsrats der KIRCHHOFF Gruppe mit Sitz in Iserlohn. Die Unternehmensgruppe ist an 60 Standorten in 21 Ländern vertreten, erzielt mit weltweit fast 13.500 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von mehr als 3 Milliarden Euro und gehört damit zu den bedeutendsten mittelständischen Familienunternehmen der Autozuliefererbranche. Arndt G. Kirchhoff engagiert sich seit Langem in Organisationen der deutschen Wirtschaft: Er ist Präsident der beiden Spitzenverbände unternehmer nrw und METALL NRW und vertritt deren Interessen auf Bundesebene als Vizepräsident von Gesamtmetall und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sowie im Präsidium des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Darüber hinaus ist er Vizepräsident des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln und des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie.
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