Studie: Preisabsicherung bei jedem dritten Energieversorger unzureichend

Energieunternehmen stehen aufgrund aktueller Preisdynamiken erneut unter hohem Druck. Wie zuletzt 2018 erreichen die Energiepreise neue Rekordhöhen, die manchen Versorger in betriebswirtschaftliche Schwierigkeiten bringt. Preisabsicherungen erhalten vor diesem Hintergrund eine enorme Bedeutung für die Anbieter. Wie eine aktuelle Umfrage der Managementberatung Horváth unter repräsentativ ausgewählten Energieversorgungsunternehmen (EVU) zeigt, ist etwa ein Drittel der Anbieter nicht ausreichend abgesichert. Jedes zweite Unternehmen verzichtet zudem auf regelmäßige Überprüfung und Optimierung der Absicherungsstrategie.

Die größten Defizite bestehen im Geschäftskundensegment. 31 Prozent der befragten Unternehmen geben an, in diesem Bereich maximal 80 Prozent der Energiemengen im so genannten Back-to-back-Verfahren abzusichern. Das bedeutet, der Anbieter kauft im Vorfeld genau die Menge an Energie auf dem Markt ein, die von den Kunden vertraglich zu einem bestimmten Preis abgenommen wird. Wurde vorab weniger Energie eingekauft, spekuliert das Unternehmen auf sinkende Preise. „Unternehmen, die jetzt ein Fünftel der von ihren Kunden benötigten Energie zu aktuellen Spotpreisen nachkaufen müssen, müssen das Jahr schon deutlich unter Plan abschließen“, so Andreas Schwenzer, Energieexperte bei der Managementberatung Horváth. „Ist der Anteil noch höher, gerät der Anbieter schnell in eine finanzielle Schieflage, die weitreichende Konsequenzen bis hin zur Insolvenz haben kann.“

Tarifkundengeschäft etwas besser abgesichert

Im Geschäft mit Privatkunden, also dem Tarifgeschäft, agieren die Energieanbieter etwas weitsichtiger – vermutlich aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit. 85 Prozent der befragten Vertriebsverantwortlichen haben die im sogenannten „Frontjahr“ 2022 benötigten Energiemengen bereits zu mindestens drei Vierteln bezogen. Das bedeutet aber auch: „Jedes sechste Unternehmen hat sich im Privatkundenbereich noch nicht mit ausreichend Energie für 2022 versorgt. Vermutlich hoffen die Anbieter auf sinkende Preise, eine deutliche Trendwende ist aber zurzeit nicht in Sicht“, so Schwenzer. „Ein weiteres Ansteigen der Preise in den Wintermonaten wäre nicht ungewöhnlich.“

Absicherungsstrategien und Risikocontrolling nahezu flächendeckend etabliert – münden aber selten in Optimierungsmaßnahmen

Nach eigenen Angaben verfügen alle der befragten Verantwortlichen aus den Energieunternehmen über Absicherungsstrategien in Form so genannter Hedging-Konzepte, bei denen die an Kunden verkauften Mengen durch parallele Einkäufe am Großhandelsmarkt abgesichert werden. Sie sind sich der Risiken durch die volatilen Energiemarktpreise also grundsätzlich bewusst und versuchen, sich bestmöglich abzusichern. Agiert das Unternehmen „spekulativ“ in dem Sinne, dass es sich Energiemengen nur zu einem gewissen Anteil sichert, ist von einem einkalkulierten Risiko auszugehen. Auch das Risikocontrolling zum Abgleich der Geschäftsentwicklung mit der gewählten Absicherungsstrategie ist in den meisten Unternehmen etabliert und wird mindestens wöchentlich in einem standardisierten Reporting ausgewiesen. Jedoch sind die Ergebnisse zu selten Gegenstand von Optimierungsmaßnahmen. So wird in fast der Hälfte der befragten EVU nur einmal im Quartal über Maßnahmen zur verbesserten Risikoeindämmung gesprochen. „Angesichts der aktuellen Preisdynamiken stellen die Energieunternehmen den Erfolg ihre Absicherungsstrategien zu selten auf den Prüfstand“, so Andreas Schwenzer. „Quantitative Benchmarks sollten mindestens einmal pro Monat vom Management aktiv diskutiert werden und wenn notwendig in kurzfristigen Optimierungsmaßnahmen münden.“

Über die Studie

Für die Studie „Absicherung im Energievertrieb 2021“ wurde im Oktober 2021 eine Stichprobe repräsentativ zusammengesetzter Energieversorgungsunternehmen (EVU) zu ihren Preissicherungsstrategien befragt. Die Unternehmen setzen sich zusammen aus Vertriebsverantwortlichen von regionalen Energieversorgern (Stadtwerken), überregionalen Energiekonzernen sowie unabhängigen Vertriebsorganisationen. Die Ergebnisse wurden mit Marktdaten und Projekterfahrungen abgeglichen und um die Expertise der Managementberatung ergänzt.

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