Industrieunternehmen mit Nachholbedarf bei ESG-Ratings

Produzierende Unternehmen haben mit massiven Preiserhöhungen sowie Lieferengpässen zu kämpfen und müssen dennoch nebenbei die „grüne Transformation“ meistern. Denn am Ziel, das Land bis 2045 klimaneutral zu machen, hält die Bundesregierung trotz aller Marktverwerfungen und Unsicherheiten fest. Ein wichtiger Baustein auf dem Weg zum nachhaltigen Industrieunternehmen ist ein ESG-Rating, das Transparenz über den Ist-Zustand schafft. Wie eine aktuelle Branchen-Umfrage von Horváth unter Industrieunternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden und 100 Millionen Euro Jahresumsatz zeigt, hat jedoch aktuell erst jedes vierte Unternehmen eine objektive Bewertung seiner Nachhaltigkeitskriterien durchführen lassen.

ESG-Ratings krisenbedingt verschoben, aber fest geplant

„Die Industrie ist grundsätzlich von ESG-Ratings überzeugt. Die zögerliche Umsetzung ist eher mit den Kriegsfolgen zu erklären. In den vergangenen Monaten mussten die Unternehmen ihre Strukturen in Einkauf, Produktion, Vertrieb und Logistik erst einmal mit Fokus auf andere Parameter durchleuchten und optimieren“, so Daniel Kittelberger, Studienleiter und Industrieexperte für Automatisierungs-, Antriebs- und Elektrotechnik bei der Managementberatung Horváth. Den Willen zur Zertifizierung zeigt auch die Studie: 40 Prozent der Befragten planen, ein ESG-Rating spätestens 2023 umzusetzen. Zwei Jahre später werden dann voraussichtlich 80 Prozent die Zertifizierung durchlaufen haben. Leidglich ein Fünftel sieht gar keinen Anlass für eine ESG-Bewertung. „Von einigen wenigen Unternehmen werden ESG-Ratings noch als Bewertungsmaßstab rein für Investoren missverstanden. Dabei hat sich dieser Reporting-Standard längst zur allgemeinen Marktanforderung entwickelt, als Orientierungs- und Entscheidungshilfe für Kunden- und Partnerunternehmen“, so Kittelberger.

Nachhaltige Steuerung konkretisiert sich bei den Unternehmen

Bisher wird erst ein Drittel der Unternehmen entsprechend ihrer Nachhaltigkeitsstrategie gesteuert. Ein Viertel hat immerhin ein konkretes Zielbild definiert, rund 30 Prozent befinden sich in der Vorphase des Messens und Abwägens, zwölf Prozent haben noch gar keinen Schritt hin zur systematischen „Green Transformation“ getan. „Angesichts der aktuellen Marktverwerfungen muss man aber sagen: Immerhin 60 Prozent sind schon so weit gekommen, dass sie ein konkretes Zielbild für eine nachhaltige Steuerung entwickelt und verabschiedet haben“, so Studienleiter Daniel Kittelberger von Horváth.

Dem Experten zufolge ist Nachhaltigkeit im produzierenden Gewerbe weder Pflichtaufgabe noch reines Lippenbekenntnis, sondern echte Überzeugung. Auch dafür liefert die Studien Indizien: So werden als Hauptmotivatoren für das Engagement im Bereich Nachhaltigkeit der Reihenfolge nach Kundenanforderungen, der “Purpose“ des Unternehmens sowie die Markenwahrnehmung genannt. Erst danach folgen gesetzliche Vorgaben wie die EU-Taxonomie. „Das Selbstverständnis der Unternehmen wird heute von neuen gesellschaftlichen Anforderungen maßgeblich geprägt. Das kann als Paradigmenwechsel betrachtet werden, der sich sicher nicht mehr umkehren wird, wenn er sogar der aktuellen Krisensituation standhält“, konstatiert Kittelberger.

Lieferketten als Handlungsfeld Nummer eins

Als wichtigste Stellschraube, durch die Nachhaltigkeit erzielt werden soll, wird von den Teilnehmenden die Umstellung auf nachhaltige Lieferketten genannt, gefolgt von nachhaltiger Produktion und nachhaltigen Produkten an dritter Stelle. Mit deutlichem Abstand folgen Eigenproduktion nachhaltiger Energie und der Erwerb von CO2-Zertifikaten.

Über die Studie

Für die Horváth-Studie “Nachhaltigkeit im produzierenden Gewerbe 2022 – ökonomische Potenziale der Green Transformation” wurden Industrieunternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden und 100 Millionen Euro Jahresumsatz aus Deutschland sowie Österreich und der Schweiz befragt. Sie basiert auf einer Stichprobe von 35 repräsentativ nach Industriezweig und Größe ausgewählten Unternehmen.

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