

Wie gelingt es einem globalen Technologiekonzern, in Zeiten geopolitischer Unsicherheit und rasanter technologischer Entwicklung zukunftsfähig zu bleiben – und dabei die Menschen mitzunehmen? Im Interview gibt Susan-Stefanie Breitkopf, Chief Transformation Officer und Mitglied des Vorstands der ZEISS Gruppe, einen Einblick in die Transformationsstrategie eines der innovativsten Technologiekonzerne der Welt, der mit innovativen Produkten selbst zur „KI-Revolution" beiträgt. Die Topmanagerin erklärt, welche Schlüsselrolle KI, Automatisierung und biomedizinische Technologien für ZEISS spielen, warum Prozessstandardisierung kein Selbstzweck ist – und wie Transformation gelingt, wenn Kultur und Technologie zusammengedacht werden. Ein Gespräch über Tempo, Resilienz und Verantwortung im Zeitalter der Disruption.
Wie bewerten Sie die bisherige Geschäftsentwicklung von ZEISS im Jahr 2025?
BREITKOPF Trotz eines erfolgreichen ersten Geschäfts-Halbjahres, spüren auch wir bei ZEISS die Folgen der aktuellen Weltlage. Dabei wirken sich die herausfordernden geopolitischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unterschiedlich stark auf unsere Geschäftsbereiche aus. Umso wichtiger ist es jetzt, gezielt die Resilienz des Unternehmens zu stärken und gleichzeitig in die Zukunft zu investieren.
Um Ihnen ein konkretes Beispiel zu geben: Im Bereich der Handelspolitik verfolgen wir sehr eng die Entwicklung handels- und zollpolitischer Fragestellungen.
Im Kern analysieren und bewerten unsere Expertinnen und Experten, wie wir pragmatische und über die Tagespolitik hinausweisende Antworten zum Thema geopolitisches De-Risking treffen können. Das betrifft strategische Footprint-Entscheidungen, das Management unserer Wertströme oder die globale Sicherung unserer ‚Intellecutal Properties‘.
Und welche strategischen Initiativen stehen derzeit ganz oben auf Ihrer Transformations-Agenda?
BREITKOPF Das Chief Transformation Officer (CTO) Resort wurde vor über drei Jahren aus der Idee geboren, das Wachstum der ZEISS Gruppe zu befähigen. Wir kombinieren diese Ambition mit einem Fokus auf Kostenbewusstsein und Profitabilität und richten unsere strategischen Initiativen damit auf die Optimierung der Top- und der Bottom-line aus. Im strategischen Fokus stehen hierbei unter anderem die Optimierung unserer Prozesslandschaft, die Stärkung der Zuverlässigkeit und Sicherheit unserer Systeme sowie die kontinuierliche Weiterentwicklung der Mitarbeitenden und Führungskräfte in unserem Unternehmen. Indem beispielsweise Rollen und Verantwortlichkeiten in unseren unternehmensweiten Prozessen eindeutig geklärt sind, können wir schnelle und klare Entscheidungen treffen – das macht uns nicht nur effizienter, sondern auch resilienter.
Indem Prozesse einheitlich sind, sprechen wir dieselbe Sprache und können Vergleichbarkeit herstellen. Ein schönes Beispiel der Prozessstandardisierung, das gleichzeitig der Entwicklung unserer Mitarbeitenden dient, ist der People Development Dialogue, welchen wir vergangenes Jahr ausgerollt haben. Dieser ermöglicht die Weiterentwicklung unserer Mitarbeitenden in einem global standardisierten Format. Denn bei all diesen Prioritäten und Bemühungen ist es wesentlich, die Mitarbeitenden als unsere wertvollste Ressource mit an Bord zu holen.
Sie sprechen die Mitarbeitenden als wertvollste Ressource an – wie sieht Ihre Vision für die Arbeitswelt der Zukunft aus und wie kann KI dabei unterstützen?
BREITKOPF Es ist eigentlich ganz einfach: Alles, was eine Maschine besser machen kann als ein Mensch, sollte von der Maschine übernommen werden. Alles, was der Mensch besser machen kann als die Maschine, sollte beim Menschen bleiben. Im Kern geht uns darum, dem Menschen Zeit für wirklich wertschöpfende und produktive Aufgaben freizuräumen.
Konkret kann der Einsatz von KI auf drei Ebenen stattfinden: Im Produkt selbst, indem wir beispielsweise KI in unsere Medizin- und Messgeräte integrieren, um unsere Kundinnen und Kunden besser zu bedienen. In der Interaktion mit dem Kunden durch digitale Plattformen, die eine erstklassige, personalisierte Kundenerfahrung bieten, und in den administrativen Bereichen, um Mitarbeitende durch die Automatisierung von Routineaufgaben für strategische Aufgaben zu entlasten. Diese Herangehensweise ermöglicht es uns, sowohl technologische Effizienz als auch menschliche Kreativität optimal zu nutzen. Nur so können wir die Anforderungen unserer Kunden so schnell und einfach wie möglich und stets in hoher Qualität erfüllen und konkurrenzfähig bleiben. Denn wenn wir unsere Arbeit richtig machen, können auch unsere Kundinnen und Kunden ihre bedeutenden Aufgaben meistern.
Dabei ist es uns bei ZEISS besonders wichtig, die ethischen und regulatorischen KI-Standards gemäß des EU AI Acts zu erfüllen und das Vertrauen unserer Kundinnen und Kunden und unserer Mitarbeitenden weiter zu sichern. Dafür sorgt unser Responsible AI Office.
Im Kern analysieren und bewerten unsere Expertinnen und Experten, wie wir pragmatische und über die Tagespolitik hinausweisende Antworten zum Thema geopolitisches De-Risking treffen können. Das betrifft strategische Footprint-Entscheidungen, das Management unserer Wertströme oder die globale Sicherung unserer ‚Intellecutal Properties‘.
Wie weit sind Sie mit der Transformation von ZEISS?
BREITKOPF Begonnen haben wir unsere Transformation im Jahr 2022 in einer Phase starken Wachstums. ZEISS hatte nicht nur ein prozentual zweistelliges Umsatzwachstum erzielt, sondern ist auch personell sehr rasch gewachsen. Um diesem Wachstum gerecht zu werden, brauchte es neue Prozesse und Systeme begleitet von einer neuen Kultur, die diese Veränderungen unterstützt.
Mittlerweile haben wir signifikanten Fortschritt entlang all dieser Dimensionen erzielt und sind stolz darauf, entsprechend weit mit der gesamten Transformation vorangeschritten zu sein.
Wir haben nicht nur das massive Wachstum der Vergangenheit mitbefähigt, sondern auch die Weichen für eine möglichst effiziente und schnelle Implementierung der großen Transformationsprogramme gestellt. Das ist in Zeiten zunehmender Unsicherheit sehr wichtig. Bei der S/4HANA-Einführung beispielsweise haben wir die Pilotphase erfolgreich abgeschlossen und sind zu dem globalen Roll-in übergegangen. Hier konnten wir die initiale Zeit- und Kosten-Abschätzung durch entsprechende organisatorische Anpassungen inklusive Governance Set-up signifikant reduzieren. Bei der Einführung unseres neuen CRM-Tools sind wir mittlerweile in fast der Hälfte unserer Ländereinheiten live.
Gleichzeitig haben wir die kulturelle Entwicklung eng mit der Implementierung der technischen Tools verzahnt. So haben wir in diesem Jahr die erste globale Employee Survey mit einer Teilnahmequote von 79 Prozent durchgeführt und sehr wertvolles Feedback durch unsere Mitarbeitenden erhalten. Für die erfolgreiche Fertigstellung der Transformation müssen wir Mensch und Technologie auch weiterhin zusammendenken.
Wie hängt Cybersicherheit mit Ihrer Transformationsagenda zusammen?
BREITKOPF Cybersicherheit bedeutet für uns den Schutz unserer Daten und Systeme aber auch unserer Kunden und Partner. Nur indem wir Cybersicherheit in allen Bereichen des Unternehmens mitdenken, können wir neue Technologien sicher integrieren und Innovationen fördern, ohne Sicherheitsbedenken zu haben. Wir stärken somit das Vertrauen unserer Kunden und Partner, aber auch unsere eigenen Innovationsfähigkeiten, die wiederum langfristig unseren Umsatz steigern.
Ganz konkret ist die aktuelle Bedrohungslage ein wichtiges Thema für uns. Es gibt externe geopolitische, aber auch technologische Bedrohungen – so bietet beispielsweise GenAI neue Möglichkeiten, in Systeme mit brutaler Gewalt einzudringen. Aber es gibt natürlich auch Insider-Bedrohungen. Daher ist es für uns unerlässlich, die richtige Denkweise, die richtigen Lösungen und die richtigen Werkzeuge zu haben, um diese dreiteilige Bedrohungslage anzugehen und das Unternehmen bestmöglich zu schützen. Ein weiterer Aspekt ist, dass wir mit Cybersicherheit die Innovationsfähigkeit unseres Unternehmens stärken. Wir sind ein MedTech-Zulieferer sowie Teil eines globalen Halbleiternetzwerks, und wir haben natürlich auch ein eigenes Netzwerk an Lieferanten und Partner.
Welche Technologien halten Sie für entscheidend, um die Wettbewerbsfähigkeit von ZEISS in den nächsten fünf Jahren zu sichern?
BREITKOPF Künstliche Intelligenz ist eine entscheidende Technologie für die Zukunft jeder Branche – davon sind wir bei ZEISS überzeugt. Aufgrund ihrer enormen Entwicklungsgeschwindigkeit wird KI fast alle Industrien auf nahezu allen Ebenen der Wertschöpfungskette verändern. In diesem Kontext leisten wir bei ZEISS einen bedeutenden Beitrag zur Hardware-Grundlage der KI, insbesondere durch unsere fortschrittlichen Technologien in der optischen Lithographie, wie der EUV-Lithographie, und treiben die Grenzen von Optik und Mechatronik weiter voran. Darüber hinaus wird Nachhaltigkeit zunehmend in unserer gesamten Wertschöpfungskette, von der Herstellung bis zum Vertrieb und Service, an Bedeutung gewinnen. Langfristig erwarten wir, dass integrierte Optiken neue Märkte in der Optik und Photonik erschließen und dass die Automatisierung in Forschung, Fertigung und Gesundheitswesen durch autonome Systeme, die KI mit fortschrittlicher Robotik kombinieren, vorangetrieben wird. Zudem eröffnen biomedizinische Technologien wie Organoide und synthetisch erzeugte Gewebe spannende neue Möglichkeiten und werden innovative Technologien initiieren.
Über Susan-Stefanie Breitkopf
Susan-Stefanie Breitkopf trat 2021 der ZEISS Gruppe bei und übernahm die Leitung des Bereichs Corporate Human Resources. Im Juli 2022 wurde sie als Chief Transformation Officer (CTO) zum Mitglied des Vorstands der Carl Zeiss AG berufen. In ihrer Rolle orchestriert sie die Transformation bei ZEISS, um das Wachstum der Gruppe zu befähigen und gleichzeitig das richtige Gleichgewicht zwischen Synergien und Geschäftsbedürfnissen zu sichern. Ihre strategischen Fokusbereiche umfassen die Optimierung der Prozesslandschaft von ZEISS, die Stärkung der Zuverlässigkeit und Sicherheit der Systeme, die Erweiterung digitaler Kompetenzen und die kontinuierliche Entwicklung der Mitarbeitenden und Führungskräfte innerhalb des Unternehmens. Darüber hinaus ist sie als Arbeitsdirektorin bei der Carl Zeiss AG tätig.
Mit über 20 Jahren Führungserfahrung in global tätigen Unternehmen wie Covestro, LANXESS und Currenta bringt Susan-Stefanie Breitkopf umfassende Expertise in den Bereichen Unternehmensentwicklung, Personalwesen, Compliance und Management mit.
Geboren 1968 in Hamburg, studierte Susan-Stefanie Breitkopf Jura an der Universität Hamburg und absolvierte das Referendariat am Oberlandesgericht Hamm. Seit 2001 ist sie Fachanwältin für Arbeitsrecht. Im Jahr 2024 wurde sie in den Zukunftsrat des deutschen Bundeskanzlers berufen.
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