Ralf Sauter, Partner bei Horváth

Fokus auf ,Fundamentals‘: Die Säulen des Erfolgs in der neuen, fragmentierten Weltwirtschaft

Die Weltwirtschaft ist nicht nur im Umbruch, die Fragmentierung nimmt weiter zu. Auf der einen Seite führen geopolitische Spannungen und Handelskonflikte zu unberechenbaren wirtschaftlichen Einbußen und Unsicherheiten. Auf der anderen Seite bieten technologische Disruptionen, allen voran KI und Automation, sowohl Chancen als auch Risiken. Markt- und Geschäftsentwicklungen sind schwerer abzusehen denn je, und die zentrale Frage ist:

Woran soll das Topmanagement die Strategie ausrichten in dieser Situation der Zerfaserung?

Die gute Nachricht: Fragt man die Vorstands- und Geschäftsführungsmitglieder großer international tätiger Unternehmen, weht einem weder Verzweiflung noch Pessimismus entgegen. Ganz im Gegenteil, die Unternehmensverantwortlichen sind sich einig, dass es an der Zeit ist, einen klaren Fokus zu setzen und mutig durch alle Unwägbarkeiten zu steuern. 

Auf diese vier Säulen sollte sich das Topmanagement angesichts der aktuellen Herausforderungen in seiner strategischen Ausrichtung stützen: 

1. Klarer Fokus auf Kostenoptimierung & Effizienz

In unserer diesjährigen CxO Priorities Studie haben wir mehr als 1.000 Vorstands- und Geschäftsführungsmitglieder aus 15 Branchen und 33 Ländern nach ihren aktuellen strategischen Management-Prioritäten gefragt. An erster Stelle steht die Optimierung von Kosten und Profitabilität.  Ziel ist es, Wettbewerbsfähigkeit herzustellen – gerade auch vor dem Hintergrund des Kostendrucks. Parallel gilt es, effizienter zu werden, um die Profitabilität zu verbessern, aber auch, um finanziellen Handlungsspielraum für Investitionen zu gewinnen, die die Zukunft absichern. Dazu gehören Investitionen in neue Technologien wie AI und Automation, aber auch in Entwicklung und Innovation. Gerade bei Industrieunternehmen hat das Handlungsfeld „F&E und Innovation“ enorm an Bedeutung gewonnen. In diesem Jahr wurde das Thema erstmals einzeln als Management-Priorität abgefragt und hat es bei produzierenden Unternehmen direkt auf Platz drei geschafft, hinter Kostenoptimierung und der digitalen Transformation. 

2. Geschärftes Produkt- und Serviceportfolio

In den Interviews haben wir gefragt, worauf die CxOs setzen, um EBIT-Wachstum zu generieren, also „top-line Growth“ zu erzielen. Sie sollten 100 Prozent ihrer strategisch relevanten Assets auf die verschiedenen Ansätze analog der Ansoff-Matrix verteilen. Dabei fällt auf: Industrie- und Service-Unternehmen zeigen ganz ähnliche Strategie-Muster auf. So fokussiert sich der Großteil auf „Market Penetration“ (45 Prozent), und zwar vor allem in den Kernmärkten. Die Unternehmen suchen gezielt den Wettbewerb mit ihrem Kernportfolio, wobei sie auf ein hochwertiges Angebot setzen, das entsprechend Wert generiert und die Profitabilität steigert. Auch hier zahlt die gestiegene Bedeutung von R&D und Innovation ein. Die (Neu-)Entwicklung von Produkten beziehungsweise Services ist mit einem Anteil von 24 Prozent auch die am zweitstärksten verfolgte Strategie. Neue Märkte werden zu 20 Prozent aktiv in den Blick genommen. Auf Diversifikation setzen die Unternehmen derzeit am wenigsten stark (11 Prozent). 

3. Balance-Akt in der Value Chain meistern

Zollkonflikte sind der makroökonomische Faktor mit dem stärksten Einfluss auf die Unternehmen in diesem Jahr, zumindest bei den produzierenden Unternehmen. Dienstleister nennen die sich verändernden Zins- und Inflationsraten als die Faktoren mit den größten Negativ-Effekten – am Ende sind diese auch ebenfalls stark beeinflusst von Handelskonflikten, daraus resultierenden Unsicherheiten und einer insgesamt trüben konjunkturellen Stimmung. In Bezug auf Standortstrategien und Wertschöpfungskette erzeugen die aktuellen Entwicklungen einerseits enormen Handlungsdruck. Auf der anderen Seite behalten die Verantwortlichen aber auch einen kühlen Kopf und werfen nicht leichtfertig ihre strategischen Ansätze über Bord. Local-for-Local-Strategien und der Ausbau von Resilienz standen bereits im vergangenen Jahr oben auf der Liste der Prioritäten. Aktuell werden US-Standorte inkrementell ausgebaut, etwa durch neue Maschinen oder Anbauten. Je nachdem, wie sich die Zollverhandlungen in den kommenden Monaten gestalten, kann das Thema nochmals an Brisanz gewinnen. Bei produzierenden Unternehmen ist die Footprint- und Supply-Chain-Optimierung im Ranking der wichtigsten Managementprioritäten bereits um drei Plätze nach oben in die Top 5 geklettert – allein deshalb, weil das Thema in den Vorstandsabstimmungen so viel Raum einnimmt. 

Doch wie erreichen die Unternehmen eine ausgewogene globale Wertschöpfungskette, die nicht von temporären Ereignissen destabilisiert wird?

Grundsätzlich sind regionale Ausgewogenheit und Marktnähe natürlich wichtig. Kurze Versorgungswege sichern Resilienz und reduzieren auch das Working Capital. Allerdings sollte die Dezentralisierung nicht zu weit getrieben werden. Das Produktportfolio sollte zwar regional angepasst werden, dies aber auf Basis einer Produktplattform im Baukastenprinzip. Zu viele Produkte und Produktvarianten sorgen für Komplexität und erschweren die Steuerung, die unbedingt zentral bleiben sollte, um kurzfristig reagieren zu können. Das bedeutet: Ja, die Unternehmen sollten in große Wachstumsmärkte gezielt investieren und dort flexible, handlungsfähige Standorte aufbauen. Prozesse und IT-Systeme müssen aber standardisiert und zentral ans Headquarter angebunden sein. 

4. Future-Readiness als Basis für Wachstum

Die vierte strategische Säule, die erfolgsentscheidend ist, ist die gezielte Herstellung von Zukunftsfähigkeit. Das klingt banal und pauschal, ist jedoch das exakte Gegenteil. Es geht darum, in den technologischen Themen, die das Unternehmen wirklich voranbringen mit Blick auf die Zukunft, möglichst schnell einen hohen Reifegrad zu erzielen. Das bedeutet beispielsweise, Automation und AI systematisch dort einzusetzen, wo einerseits die größten Effizienzsteigerungen, aber auch die größte Wertsteigerung erfolgt. Die meisten Unternehmen fokussieren sich dabei auf die funktionalen Bereiche IT, Operations sowie Vertrieb & Marketing. Hier werden Effizienzsteigerungen von 15-17 Prozent in den kommenden drei Jahren einkalkuliert. Sogar im Management wird das Einsparpotenzial auf 10-12 Prozent eingeschätzt. 

Diese Ziele sind vor dem Hintergrund der Ausgangssituation in vielen Organisationen allerdings sehr sportlich. Bislang haben weniger als ein Drittel der Firmen schon ausgereifte KI-basierte Lösungen in den unterschiedlichen Bereichen im Einsatz. Besonders im Bereich „Produkte & Services“ sieht es mau aus. Lediglich ein Viertel nutzt KI-Technologie bisher zur Aufwertung ihres Portfolios. Auch der Einsatz von KI im Performance Management findet in der Breite noch nicht statt. Zwei von fünf Unternehmen haben sich mit dem Thema noch gar nicht auseinandergesetzt. Dabei liegen hier große Hebel für Effizienz- und Wertschöpfungssteigerungen in nahezu allen Unternehmensbereichen. Immerhin: Verstärkte Investitionen in KI sind eingeplant. Industrieunternehmen haben ihre Budgets um mehr als 20 Prozent erhöht, Serviceunternehmen, die insgesamt bereits einen höheren Reifegrad aufweisen, nochmals um neun Prozent. 

Kernthemen in den Fokus – kein Chichi

Unternehmen, die sich auf die beschriebenen Säulen fokussieren, werden notwendige Transformationen gut meistern, Handlungsspielraum gewinnen und die Voraussetzungen für Wachstum schaffen. Dabei ist jedoch nicht außer Acht zu lassen, dass die strategischen Anpassungen auch strukturelle Umbrüche nach sich ziehen, die professionell gemanaged werden müssen. Nicht ohne Grund steht das Handlungsfeld  „Reorganisation von Strukturen & Prozessen“ im Ranking der aktuell wichtigsten Managementprioritäten vergleichsweise weit oben, nämlich auf Platz fünf, aufgestiegen von Platz sieben. 

Kein strategisches Thema mehr ist dagegen ökologische Nachhaltigkeit. Die Unternehmen tun hier ihre Pflicht und das, was sie in ihrer Profitabilität und Wertschöpfung voranbringt – nicht mehr, aber auch nicht weniger, und das ist in dieser Zeit auch geboten. 

Interview mit Alexandra Mebus, Mitglied der Geschäftsführung und Chief Human Resources Officer bei der Zeppelin GmbH

„Unser Ziel ist eine international vernetzte, stabile und effiziente Unternehmensstruktur“

Zum Interview

Interview mit Jens Warkentin, CEO der HDI Deutschland AG

„Der Fokus auf das Wesentliche – das Kerngeschäft der Versicherung – hat strategisch absolute Priorität“ 

Zum Interview