

HDI Deutschland steht – wie alle Wettbewerber – vor vielfältigen Herausforderungen in einem sich schnell verändernden Versicherungsmarkt. Angesichts regulatorischer Anforderungen, technologischer Innovationen und eines intensiven Wettbewerbsumfelds setzt der Konzern auf klare strategische Prioritäten und eine fokussierte Ausrichtung auf die eigenen Stärken im Kerngeschäft. Im Interview spricht Jens Warkentin, CEO der HDI Deutschland AG sowie CIO und Vorstandsmitglied des Mutterkonzerns Talanx AG, über Trends, die die Branche prägen, und die Notwendigkeit, IT-Kompetenzen in den Mittelpunkt der Personalstrategie zu stellen. Außerdem zeigt er auf, wie HDI eine Unternehmenskultur der Verantwortung und modernen Führung etabliert.
Was sind aus Ihrer Sicht die Top-Erfolgsfaktoren, speziell in Ihrer Branche? Und was sind die größten Herausforderungen?
WARKENTIN Wir haben in Deutschland über 80 Lebensversicherungen und über 90 Kfz-Versicherungen. Es herrscht im Retail-Geschäft eine Überkapazität bei gleichzeitig steigenden regulatorischen Herausforderungen. Das alles in einem Umfeld ohne große konjunkturelle Impulse in Deutschland. Bei diesen Herausforderungen setzen wir den Fokus auf das Wesentliche. Das ist der entscheidende Faktor für Erfolg.
In diesem Kontext ist für mich „Fokus“ ein zentraler Wert: Keine Verzettelung in zu viele Themen, sondern die Konzentration auf die Regulatorik, die eine Rahmenbedingung unseres Kerngeschäfts darstellt, operative und digitale Resilienz und dann sehr gezielte Investitionen in unser Kerngeschäft.
Welche strategischen Prioritäten stehen bei Ihnen momentan ganz oben auf der Management-Agenda?
WARKENTIN Angesichts der aktuellen Entwicklungen in Deutschland und im Versicherungsmarkt ist es unerlässlich, strategische Initiativen gezielt zu steuern. Zu den Herausforderungen zählen die schwache Konjunktur, die Inflation – insbesondere bei Kfz-Teilen und Werkstattpreisen –, steigende regulatorische Anforderungen wie der Digital Operational Resilience Act (DORA) im IT-Bereich sowie der Fachkräftemangel in spezialisierten Bereichen.
In diesem Kontext ist für mich „Fokus“ ein zentraler Wert: Keine Verzettelung in zu viele Themen, sondern die Konzentration auf die Regulatorik, die eine Rahmenbedingung unseres Kerngeschäfts darstellt, operative und digitale Resilienz und dann sehr gezielte Investitionen in unser Kerngeschäft.
Bei uns geht es vor allem um die Spezialisierung auf Firmen und freie Berufe in der Schaden-/Unfallversicherung sowie auf das Biometrie- und Annexgeschäft in der Personenversicherung. Unsere Ausschließlichkeitsorganisation stärken wir in allen relevanten Produktfeldern. Ein übergreifendes Engagement zur Sicherstellung dieses Fokus stellt derzeit eine der wichtigsten Prioritäten meines Handelns dar.
Welche weiteren Trends werden die Versicherungsbranche mittel- bis langfristig am stärksten beeinflussen?
WARKENTIN Neben den bereits genannten Themen sehe ich generative KI als ein zentrales Zukunftsthema. Generative KI ist kein vorübergehendes Phänomen, sondern eine nunmehr breit verfügbare Technologie, die jedem Mitarbeiter und Kunden zur Verfügung steht. Die Offenheit und Innovationskraft von Organisationen gepaart mit einer belastbaren IT-Infrastruktur werden den Erfolg in unserer Industrie ausmachen. Es wird keinen erfolgreichen Versicherungsmanager geben ohne Kompetenz und Wirksamkeit in diesem technologischen Umfeld.
KI wird, wie viele Trend-Themen zuvor, kurzfristig über- und langfristig unterschätzt.
Viele reden über (generative) KI, HDI hat die Technologie bereits in vielen Bereichen implementiert. Wie weit sind Sie in der Umsetzung? Und wie bewerten Sie das disruptive Potenzial dieser Technologie für die Versicherungswelt?
WARKENTIN Neue Technologien beispielsweise zur Automatisierung haben wir bereits seit Jahren im Einsatz. Durch KI hat das Thema nochmals einen riesigen Sprung gemacht und auch hier haben wir bereits dedizierte Use Cases realisiert. Ein Beispiel ist unsere interne KI-Anwendung „Alles auf einen Blick“. Dort werden unseren Sachbearbeiter:innen schnell wertvolle Informationen zur Bearbeitung von Kundenanliegen zur Verfügung gestellt. Auf dem Massenmarkt hat sich das Thema noch nicht durchgesetzt, hier erwarte ich eine schrittweise Verbreitung.
Was ist für Sie (hinsichtlich generativer KI) derzeit die größte Herausforderung beim Sprung von der Innovation zur breiten Anwendung?
WARKENTIN Grundsätzlich gilt, wie so oft bei Trend-Themen, dass das Thema kurzfristig überschätzt und langfristig unterschätzt wird. Large Language Models, LLMs, werden die Welt in einem Ausmaß verändern, wie die Google-Suchmaske dies getan hat. Beides zeichnet sich durch eine einfache Bedienung und die zügige Bereitstellung der besten Ergebnisse aus. Die Interaktion der Mitarbeiter:innen mit den LLMs wird einen enormen Wandel bringen. Ein Beispiel: Nehmen wir eine bisher gültige Begründung für die Ablösung von Altsystemen. IT-Führungskräfte führten ins Feld, dass die Kapazitäten für die Programmierung zur Wartung von Systemen in der Programmiersprache COBOL aus demografischen Gründen stark rückläufig sind. Daher müsse man in COBOL-programmierte Systeme ablösen. Diese Logik ist heute nicht mehr haltbar. Schon die frei verfügbaren LLMs können Logik in COBOL übersetzen. Die Modernisierung von IT-Systemen muss daher neu gedacht werden. Sprache, einschließlich Programmiersprache, ist dank der LLMs technologisch gelöst.
Inwieweit verändert die Digitalisierung den Bedarf und die Ansprüche an Fachkräfte?
WARKENTIN Führungs- und Fachkräfte ohne IT-Verständnis wird es in Zukunft praktisch nicht mehr geben. Dediziertes Know-how im IT-Umfeld, gerade auch im Bereich KI, ist heiß begehrt, nicht nur in der Versicherungsbranche. In Teilen konkurrieren wir als Arbeitgeber mit Tech-Firmen und nicht mehr vorwiegend mit Versicherungskonzernen. In diesem Spannungsfeld Expert:innen für die Versicherungswirtschaft zu begeistern, bleibt eine Herausforderung.
HDI lebt eine Kultur der Verantwortung. Wie schaffen Sie es, innerhalb eines großen Versicherungskonzerns eine Unternehmenskultur zu etablieren, die sowohl menschlich als auch effizient ist?
WARKENTIN In unserer Organisation leben wir eine Vertrauenskultur, die Eigenverantwortlichkeit und Engagement der Kolleginnen und Kollegen fördert, Transparenz schafft und die Zusammenarbeit stärkt. Zu unserem Miteinander gehört für mich im großen Maße auch die Art und Weise, wie wir Führung verstehen und im Arbeitsalltag vorleben. Wir haben für HDI Deutschland Führungswerte erarbeitet, zu denen sich alle Führungskräfte bekannt haben:
- Jede:r Einzelne ist (uns) wichtig und liefert einen wichtigen Beitrag zu unserem Erfolg.
- Wir inspirieren unsere Mitarbeiter:innen und vermitteln den Wert unserer Arbeit.
- Wir gestalten aktiv, agieren mutig und entscheiden.
- Wir sind offen für Neues, bringen eigene Ideen ein und wachsen als Team über uns hinaus.
- Wir tragen Entscheidungen gemeinsam mit und übernehmen Verantwortung.
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit diesen Prinzipien die Kultur des Miteinanders in unserer Organisation positiv aufladen. Sie bringen auf den Punkt, was ich unter moderner Führung verstehe.
Über Jens Warkentin
Jens Warkentin ist seit dem 1. Januar 2023 CEO der HDI Deutschland AG, wo er verantwortlich für den Geschäftsbereich Privat- und Firmenversicherung Deutschland ist, sowie CIO und Mitglied des Vorstands der Talanx AG. Davor war er seit 2019 als Finanzvorstand und Arbeitsdirektor der HDI Deutschland AG tätig. Weitere bedeutende Meilensteine seiner Karriere waren außerdem seine Berufung in den Vorstand des AXA-Konzerns sowie seine Tätigkeit bei PricewaterhouseCoopers.
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