Energiewende ist kein Technologie-, sondern ein Umsetzungsproblem
Gasgeschäft rückläufig, Wasserstoffhochlauf zögerlich
Commodity noch stärker im Wettbewerb - Flexibilität, Wärme und Handel sind Margentreiber
Die anhaltende Volatilität der Energiepreise sowie der ambitionierte Ausbau zentraler Infrastrukturen wie Strom- und Wärmenetze, setzen die Energiewende zunehmend unter Druck. „Deutschland verfügt über die technologischen Optionen, kämpft aktuell aber mit der Umsetzung“ sagt Matthias Deeg, Partner bei der Managementberatung Horváth. Wie die repräsentative Studie „Strategieentwicklung von Energieversorgern 2026“ unter mehr als 90 Energieversorgern zeigt, entwickeln sich Netzengpässe, ein Genehmigungsstau und der schleppende Umbau der Wärmeinfrastruktur zur Achillesferse der Energiewende. „Die Investitionsfähigkeit von Unternehmen und Kommunen wird damit mittelfristig gefährdet“, so Deeg. „Die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts hängt stark davon ab, ob es gelingt, die Engpass-Faktoren in der Energie-Infrastruktur rechtzeitig zu beseitigen. Es gilt die richtige Balance aus Ausbaugeschwindigkeit, Kostenmanagement sowie Ergebnissicherung zu erreichen.“
Stand jetzt rechnen allerdings rund zwei Drittel der Unternehmen aus Erzeugung, Vertrieb, Netzinfrastruktur und Handel nicht damit, dass die Bundesregierung ihre für 2030 festgelegten Ziele in der Wärmewende erreichen kann. Geplant war, den Anteil der Erneuerbaren Energien für die Wärmebereitstellung auf 50 Prozent zu steigern.
An Investitionen wird trotz Reformfrust festgehalten
Über 90 Prozent der befragten Unternehmen erwarteten, dass der NEST-Prozess der Bundesnetzagentur ihre Rentabilität im Netzgeschäft spürbar beeinflussen wird. Auch die jüngsten Veröffentlichungen zeigen, dass noch ein erheblicher Nachbesserungsbedarf erforderlich ist. Der Ausbau kritischer Energienetze stockt nach Ansicht vieler Unternehmen vor allem wegen langwieriger Genehmigungsverfahren und Versäumnisse in der Digitalisierung. Dennoch geben rund 80 Prozent von ihnen an, die geplanten Investitionen in das Netz bis zum Jahr 2030 umzusetzen.
Höhere Margen werden vor allem aus Flexibilität, Lösungen, Wärme und Handel erwartet
Margenpotenziale erkennen Unternehmen aus dem Energiesektor insbesondere im Hochlauf der Flexibilität sowie im Bereich der Nah- und Fernwärmenetze. Auf eine starke Zusammenarbeit mit Kommunen und der Wohnungswirtschaft für die Wärmewende – beispielsweise in Form von Quartierskonzepten – setzt der Großteil der befragten Unternehmen. Die Margenerwartungen im Handel und Lösungsvertrieb steigen zum Vorjahresvergleich deutlich an.
Gasnetz verliert weiter an Bedeutung
Das Gasnetz verliert aus Sicht vieler Energieversorger langfristig an Bedeutung für die Wärmeversorgung. 61 Prozent der Befragten rechnen mittelfristig mit einer schrittweisen Stilllegung von Teilen ihrer Gasnetze, allerdings überwiegend mit Zeithorizonten jenseits des Jahres 2040.
Trotz rückläufiger Erwartungen bleibt das Gasgeschäft wirtschaftlich relevant. Der Umsatz liegt weiterhin bei rund 80 Milliarden Euro jährlich, auch wenn die Unternehmen in den kommenden Jahren mit einem moderaten Rückgang rechnen. Entsprechend reduzieren rund 65 Prozent ihre Investitionen, während mehr als 60 Prozent bis 2035 von einer Halbierung des transportierten Erdgasvolumens ausgehen.
Über die Studie
Für die Horváth-Energieversorgerstudie wurde eine repräsentative Auswahl an Energieversorgungsunternehmen (EVU) in Deutschland und der Region DACH befragt. Die ausgewählte Stichprobe umfasst über 90 Vorstandsmitglieder sowie Unternehmensverantwortliche aus den Bereichen Strategie und Unternehmensentwicklung. Die Befragung wurde im vierten Quartal 2025 abgeschlossen und ausgewertet.
