Studie zeigt: KI-Skalierung wird für Versicherer zur Reifeprüfung

  • Bislang setzen nur zwei Prozent der Assekuranzen KI skaliert ein – Managements beenden Experimentierphase und hinterlegen harte finanzielle Ziele
  • Private Krankenversicherung und Schadenversicherung treiben Prämienwachstum – Fokus liegt auf Ergebnisverbesserung statt Stückewachstum

Versicherungsunternehmen erwarten für das laufende Jahr ein Prämienwachstum von rund sechs Prozent. Das Wachstum wird vor allem von der privaten Krankenversicherung sowie der Schaden- und Unfallversicherung getragen. Um dieses Wachstum angesichts einer weltweit unsicheren Wirtschaftslage, die sowohl Verbraucherverhalten als auch Kapitalmarktentwicklungen schwer berechenbar macht, auch einzulösen, müssen die Versicherer allerdings zwei wesentliche Herausforderungen meistern, wie die aktuelle Studie „Assekuranzen 2025“ von Horváth zeigt. „Die Markt- und Wettbewerbssituation ermöglicht aktuell kein Stückewachstum auf breiter Front, sondern nur in spezifischen Segmenten. Umso mehr Fokus liegt daher auf der Ergebnisverbesserung“, sagt Martin Müller, Partner Insurance-Experte bei Horváth.

Klassische Hebel zur Ergebnisverbesserung

Themen wie die Verbesserung der Kosten- und Gewinnstrukturen, die Feinjustierung des Geschäftsmodells oder des Preis- und Erlösmodells rücken im Ranking strategischer Themen im Vergleich zum Vorjahr daher nach oben. Kostenoptimierung liegt hinter dem Top-Thema Digitalisierung in diesem Jahr auf Platz zwei, ein Aufstieg um zwei Positionen. Zugleich verliert Nachhaltigkeit weiter an Relevanz und auch Cybersecurity fällt nach enormen Anstrengungen zur DORA-Umsetzung von Platz drei  im Vorjahr auf Platz acht zurück.

„Viele Versicherer sind gezwungen, sich wieder stärker auf das Fundament ihres Geschäfts zu konzentrieren. Es geht darum, Beitrags-, Kosten- und Schadenstrukturen gezielt zu optimieren und gleichzeitig in die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells zu investieren“, so Versicherungsexperte Müller.

KI-Integration spaltet die Branche

Auch wenn die digitale Transformation an erster Stelle der strategischen Managementprioritäten steht, treten viele Unternehmen im Handlungsfeld KI bislang noch auf der Stelle. So haben die Unternehmen zwar erste Erfahrungen mit Künstlicher Intelligenz (KI) gesammelt, doch nur die wenigsten setzen sie bereits ausgereift,  integriert und skaliert ein. Jeder zweite Versicherer befindet sich, über alle Einsatzbereiche hinweg, noch mehrheitlich in Pilotphasen. Ausgereifte Lösungen sind bislang erst bei jedem zehnten Unternehmen im Betrieb. Skalierte, voll integrierte KI-Technologie ist mit zwei Prozent Anwender noch die absolute Ausnahme.

„Das Management wird ungeduldig und möchte die Experimentierphase jetzt schnellstmöglich verlassen, um einen Return on Investment zu erzielen. Anstatt möglichst viele Use Cases zu verfolgen, setzt nun eine Fokussierung auf wenige ein, die mit konkreten Effizienz- und Einsparzielen hinterlegt sind“, so Müller. Viele Versicherer sehen in ihrer gewachsenen IT-Landschaft und verteilten Datensilos ein zentrales Hemmnis. Entsprechend sind für 60 Prozent der Befragten Investitionen in die IT-Modernisierung und in die Cloud-Migration besonders wichtig.

Ein Blick in die Sparten zeigt die strategischen Schwerpunkte:

- Private Krankenversicherung profitiert von Wechselbereitschaft

Die private Krankenversicherung (PKV) erhält Rückenwind durch das nachlassende Preis-Leistungs-Verhältnis der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): „Die private Krankenversicherung profitiert aktuell von einem klaren Preis-Leistungsvorteil gegenüber der GKV. Vor allem im oberen Tarifsegment steigt die Wechselbereitschaft“, erklärt Müller. Strukturelle Herausforderungen wie die neue Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) erfordern jedoch Anpassungen in Produkten und Betriebsprozessen. Um das Ergebnis zu steigern, priorisieren 64 Prozent die Optimierung der Schadensquote, etwa durch die Steuerung von Leistungserbringern oder präventive Maßnahmen.

- Schaden- und Unfallversicherung: Ertrag vor Volumen

In der Schaden- und Unfallversicherung steht weiterhin die Profitabilität vor dem Stückewachstum. Fast zwei Drittel (64 Prozent) der Versicherer setzen auf gezielte Beitragsanpassungen, beispielsweise zur Kompensation gestiegener Werkstattkosten und Ersatzteilpreise als strategisch wichtigen Hebel. Nahezu ebenso viele (63 Prozent) planen die Optimierung der Schadenquote, etwa durch Betrugserkennung und besser gesteuerte Schadenprozesse. „Wer sich im Privatkundengeschäft durchsetzen will, braucht aktuarielle Pricing-Exzellenz und gleichzeitig eine hohe Servicequalität, die auch bei Beitragsanpassungen überzeugt“, sagt der Horváth-Experte. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Schadeninflation ihren Höhepunkt scheinbar überschritten hat. Künftig rechnen die Versicherungsunternehmen mit moderaten Preissteigerungen im Rahmen der allgemeinen Inflation. Eine Ausnahme bildet das Kfz-Geschäft: Hier dürften die Preise aufgrund anhaltend hoher Ersatzteilkosten und eingeschränkter Werkstattkapazitäten weiter steigen.

- Lebensversicherer setzen auf Kostendisziplin und Portfoliostrategie

In der Lebensversicherung hat sich zwar aufgrund der Zinssituation die Lage etwas entspannt. Es wird sogar wieder über ein Revival von Garantieprodukten nachgedacht. Doch ein Nettowachstum im laufenden Beitrag ist nur bei einzelnen Marktteilnehmern in Sicht. Zudem steigt der Druck aufgrund externer Einflüsse: „Die wirtschaftliche Unsicherheit stresst den Vertrieb, die anstehende Verrentungswelle bei den eigenen Mitarbeitern die Operations, der Regulator über Wohlverhaltensaufsicht die Kostenstrukturen“, so Müller. Daher wollen 43 Prozent der Befragten das Kostenverhältnis optimieren. 34 Prozent der Versicherungsunternehmen legen einen starken Fokus auf die aktive Steuerung der Portfoliostruktur hin zu ertragreichen Produkten.  „Die Kostentragfähigkeit ist unter Druck geraten. Es geht jetzt darum, gezielt die ertragreichsten Segmente zu identifizieren und dort Wachstum zu realisieren – ohne dabei den Kundennutzen aus dem Blick zu verlieren“, sagt der Horváth-Experte.

Fazit: Ergebnisse sichern, entschlacken, Technologie skalieren

„Unsere Gespräche mit über 100 Vorständen zeigen klar, worauf es jetzt ankommt: Ergebnisse sichern, Prozesse entschlacken, Technologie messbar nutzen. Wer den Bestand intelligent steuert, das Serviceversprechen trotz Fachkräftemangel hält und strategisch flexibel bleibt – ob durch Kooperation oder Zukauf –, verschafft sich einen echten Vorteil. Die Prioritäten sind klar, jetzt kommt es auf die Umsetzung an“, so Horváth-Partner Martin Müller.

Über die Studie

Für die Horváth-Studie „Assekuranzen 2025“ wurde eine repräsentative Auswahl an Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern aus Versicherungsunternehmen in der DACH-Region befragt. Die Stichprobe umfasst 100 Befragte, mit denen persönliche Tiefeninterviews geführt wurden. Die Interviews fanden im Rahmen der internationalen und branchenübergreifenden Horváth-Studie „CxOs Priorities 2025“ statt, für die branchenübergreifend mehr als 1.000 Unternehmensverantwortliche befragt wurden.

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