

BMW setzt Künstliche Intelligenz längst nicht mehr nur punktuell ein, sondern skaliert sie konsequent entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der Fahrzeugentwicklung über die Produktion bis hin zum Vertrieb. Oliver Zipse, CEO und Vorstandsvorsitzender der BMW AG, erklärt im Interview, wie Datenintelligenz, Softwarekompetenz und technologische Innovationskraft die Unternehmenssteuerung grundlegend verändern, welche Rolle KI als strategischer Performance-Hebel spielt und wie BMW gleichzeitig die Balance zwischen globaler Steuerung und lokaler Marktdynamik meistert.
KI ermöglicht es, in nahezu allen Unternehmensbereichen die Effizienz zu steigern. Wie weit sind Sie bei BMW damit, KI in den verschiedenen Bereichen zu implementieren? :
ZIPSE Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz und skalieren Künstliche Intelligenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette, also von der Entwicklung über die Produktion bis hin zum Vertrieb. Wir haben schon heute hunderte KI-Use-Cases im Serienbetrieb – mit dem klaren Ziel, dass in absehbarer Zeit jeder unserer Prozesse von KI unterstützt wird. Denn wir sehen große Potenziale, um mittels KI unsere Innovationsfähigkeit, unsere Produktivität und unsere Effizienz weiter zu steigern.
Welche Kompetenzen entscheiden in welcher Ausprägung heute über den Erfolg: Engineering, Software, Marke oder Datenintelligenz? :
ZIPSE Alle sind entscheidend – aber keine allein reicht aus, um in Zukunft nachhaltig erfolgreich zu sein. Die Kunst ist es, sie bestmöglich miteinander zu verknüpfen. Denn das Ganze ist viel mehr als die Summe seiner Teile. Das gilt für die Fahrzeugentwicklung genauso wie für erfolgreiche Unternehmensführung. Den größten Bedeutungszuwachs haben wir in den letzten Jahren bei Software und Daten gesehen. Gerade in den Software-Bereich haben wir frühzeitig investiert und deshalb vor über 20 Jahren unsere eigene Software-Entwicklung gestartet. Heute beschäftigen wir in-house im Bereich Software und IT mehr als 10.000 Mitarbeiter. Hinzu kommen noch rund 5.000 Beschäftigte in unseren weltweiten IT-Hubs, die ebenfalls an der Fahrzeugsoftware-Entwicklung beteiligt sind.
BMW bezeichnet sich heute selbstbewusst auch als Softwareunternehmen. Welchen Anteil machen software-definierte Komponenten aus, wie groß ist der Anteil an der Wertschöpfung – und wo geht die Reise da noch hin? :
ZIPSE Wir beherrschen den gesamten „Digital Car Tech Stack“ – quasi vom Chip bis zur Cloud. Wir verfolgen dabei einen strategischen „Make-or-Buy“-Ansatz: Die kundenrelevante und markenprägende Software entwickeln wir selbst, während wir Basis-Funktionalitäten einkaufen oder entsprechende Open-Source-Lösungen nutzen. Das Ergebnis: Unsere Digital-Baukästen, mit denen wir uns klar vom Wettbewerb differenzieren – und die dennoch sehr effizient entwickelt wurden und stets frisch gehalten werden. Denn wir können auf jede Zeile Code im Fahrzeug zugreifen und sie „over the air“ aktualisieren. Das macht uns zum Benchmark in der Industrie: Mit über 10 Millionen Fahrzeugen verfügen wir über die weltweit größte, vollständig updatefähige Flotte. Mit den Fahrzeugen der Neuen Klasse, die wir jetzt ausrollen, zeigen wir außerdem, wie wir das „Software-defined Vehicle“ und seine digitale Leistungsfähigkeit auf ein neues Niveau heben: mit einer zonalen E/E-Architektur und vier zentralisierten Hochleistungscomputern – unseren „Superbrains“.
Trotz steigenden Kostendrucks investieren viele Unternehmen massiv in Automatisierung, Digitalisierung und neue Plattformen. Wie priorisieren Sie Investitionen, wenn Kosteneffizienz oberste Priorität hat? :
ZIPSE Wir haben auf der IAA Mobility im September 2025 den BMW iX3 vorgestellt – das erste Fahrzeug der Neuen Klasse. Mit der Neuen Klasse haben wir quasi alles neu gemacht: die Fahrzeugarchitektur, die Designsprache und die Technologiecluster, zum Beispiel für das Digital-Erlebnis, das Automatisierte Fahren und den Elektroantrieb. Die Investitionen in die Neue Klasse waren die größten, die BMW jemals getätigt hat. Und gleichzeitig haben wir auch während der Entwicklung immer solide Geschäftsergebnisse erzielt und unseren Investitions-Peak bereits 2024 erreicht. Dieser Spagat gelingt nur, wenn Sie ein funktionierendes Geschäftsmodell haben – mit global überzeugenden Produkten, konsequenter Kundenorientierung, kontinuierlicher Innovationskraft, effizientem Kostenmanagement und nachhaltiger Finanzstärke. Und darauf müssen alle Entscheidungen einzahlen.
Und wie schafft BMW die Balance zwischen zentraler Steuerung und lokaler Reaktionsgeschwindigkeit in Märkten mit sehr unterschiedlichen Wachstums-, Preis- und Regulierungslogiken (z. B. USA, China, Europa)? :
ZIPSE Es gibt in der Automobilindustrie kaum ein anderes Unternehmen, das so global aufgestellt und ausgerichtet ist wie BMW: Wir haben Forschungs- und Entwicklungsstandorte in über 15 Ländern. Dazu kommen über 30 Produktionsstandorte weltweit und ein globales Vertriebsnetzwerk mit Vertretungen in mehr als 140 Ländern. Das ist ein enormer Vorteil, um die lokalen Märkte mit ihren Kunden zu verstehen, technologische Entwicklungen vor Ort zu adaptieren oder gar zu antizipieren und eine resiliente „local for local“-Lieferkette aufzubauen. Gleichzeitig haben wir in Deutschland als Heimatstandort sehr viel Wissen, Erfahrung und Kompetenz gebündelt – in unserer Zentrale, an unserem größten F&E-Standort und in unseren acht Werken. Deshalb würde ich das Zusammenspiel aus Zentrale und Märkten als Symbiose beschreiben: Beide Seiten arbeiten eng zusammen und profitieren voneinander. Das ist die Grundlage für Erfolg und Resilienz.
Über Oliver Zipse
Oliver Zipse ist seit August 2019 Vorstandsvorsitzender der BMW AG. Er begann 1991 seine Karriere bei BMW und hatte seitdem verschiedene Führungspositionen in Produktion, Produktstrategie und Unternehmensentwicklung inne. Heute verantwortet er die Gesamtstrategie des Konzerns mit Schwerpunkt auf Elektromobilität, Digitalisierung und Softwareentwicklung und treibt die Transformation zu einer daten- und KI-gestützten, global vernetzten Performance-Organisation voran. Zipse ist stellvertretender Vorsitzender des Senats der Fraunhofer-Gesellschaft, Präsident der European Automobile Manufacturers’ Association (ACEA) und Honorarprofessor an der TUM School of Management in München.
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