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Klimaziele unter Druck: Wie Unternehmen den Spagat zwischen Ambition und Realität meistern können

Kostendruck und die Übersetzung ambitionierter Klimaziele in konkrete Maßnahmen stellen viele Unternehmen vor große Herausforderungen. Während die Erwartungen von Kunden, Investoren und der Politik steigen, kämpfen Unternehmen oft mit der praktischen Umsetzung. Doch wie gelingt es, ökologische Verantwortung mit wirtschaftlicher Tragfähigkeit zu verbinden? Ein klarer Climate Transition Plan, der sowohl Umweltziele als auch finanzielle Machbarkeit berücksichtigt, könnte der Schlüssel sein.

Der Klimawandel gehört zu den drängendsten Herausforderungen unserer Zeit –Unternehmen aller Branchen stehen dabei im Fokus. Die Gesellschaft, Investoren, Politik, Lieferkettenpartner und Kunden fordern konkrete Beiträge zur Emissionsreduktion. Hinzu kommt ein regulatorischer Ordnungsrahmen, der sich dynamisch weiterentwickelt. Mit den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sind Unternehmen verpflichtet, einen „Übergangsplan für den Klimaschutz“ zu veröffentlichen. Entsprechend ambitioniert klingen viele Klimaziele: Laut der Horváth CTP Studie beschäftigen sich neun von zehn Unternehmen mit der Science Based Targets Initiative (SBTi). Rund 70 Prozent haben sich, laut EFRAG State of Play Report 2025, kurzfristige Klimaziele für 2030 gesetzt und 55 Prozent verfügen bereits über einen Climate Transition Plan (CTP). Gleichzeitig zeigen dieselben Erhebungen: Ein Viertel der Unternehmen erwartet bereits heute, dass diese Ziele zumindest teilweise nicht erreicht werden – nicht zuletzt, weil viele CTPs noch nicht ausreichend detailliert und unterlegt sind. Es fehlt nicht an Ambition, sondern an konkreter Umsetzung, Ressourcenallokation und oft an Budgets für die Klimatransformation. 

Auch unabhängig von regulatorischem Druck ist ein CTP heute strategisch unverzichtbar: Er ist der Schlüssel, um Klimaschutz mit Wirtschaftlichkeit zu verbinden und die Transformation erfolgreich zu gestalten. 

Die vier Schritte eines wirkungsvollen Climate Transition Plans

Ein CTP ist mehr als ein Reporting-Dokument. Er ist ein integratives Steuerungsinstrument, das Unternehmensstrategie, Dekarbonisierung, Risikomanagement und Finanzplanung ganzheitlich miteinander verbindet. Bewährt hat sich hierzu ein Vorgehen in vier Schritten: 

1. Fundament schaffen: CTP-Basics

Der erste Schritt bildet die analytische Grundlage: 

  • Treibhausgasbilanz (Scope 1-3): Auf Basis des GHG Protocol werden alle direkten und indirekten THG-Emissionen systematisch erfasst – einschließlich aller relevanten Scope-3-Kategorien, jeweils mit dem bestmöglichen Kalkulationsansatz und fachlicher Dokumentation. 

  • Emissionsprognose („Business as usual“): In einem Forecast wird die zukünftige Emissionsentwicklung bei unverändertem Verhalten simuliert, um Klarheit über den Handlungsdruck zu schaffen (Rückenwind vs. Gegenwind). 

  • Klimarisikoanalyse: Sowohl physische (z. B. Extremwetter, Hitze, Überflutung) als auch transitorische Risiken (z. B. Gesetzesänderungen, Marktverlagerungen) werden systematisch analysiert. 

  • Klimastrategie, Klimaziele und Gap-to-Target: Die unternehmerische Klimastrategie wird definiert und ambitionierte Reduktionsziele festgelegt – z. B. auf Basis der SBTi. Darauf aufbauend wird die Lücke („Gap“) zwischen dem prognostizierten Emissionsverlauf und dem angestrebten Zielpfad (z. B. 1,5 °C-kompatibel) identifiziert – als Basis für konkrete Maßnahmen. 

2. Maßnahmen konkretisieren: Structured Action Plan

Der zweite Schritt übersetzt Ziele in operative Aktivitäten: 

  • Maßnahmenentwicklung für Scope 1-3: Dekarbonisierungsmaßnahmen werden entlang der gesamten Wertschöpfungskette identifiziert – z.B. in den Bereichen erneuerbare Energie, Energieeffizienz, für Scope 1+2 sowie für Scope 3 beim Materialeinsatz oder Produktdesign. Darüber hinaus sind auch sogenannte „Enabling“-Maßnahmen relevant, etwa die Verbesserung von Datenmanagement und Steuerungsprozessen oder gezieltes Engagement mit Lieferanten und Kunden. Diese unterstützenden Hebel sind ebenso systematisch zu dokumentieren und in die Maßnahmenplanung aufzunehmen. 

  • Kosten-Nutzen-Bewertung: Neben dem CO₂-Reduktionspotenzial werden für jede Maßnahme auch Investitions- (CapEx) und Betriebskosten (OpEx) sowie ökologische und wirtschaftliche Zusatznutzen systematisch bewertet. 

  • Szenario-Entwicklung & Roadmap: Auf Grundlage bewerteter Maßnahmen werden verschiedene Dekarbonisierungspfade modelliert. Daraus entsteht eine abgestimmte Roadmap mit klar definierten Maßnahmen, Verantwortlichkeiten und Zeitachsen – angepasst an Zielniveau, Geschäftsbereiche, Emissionsquellen und Standorte. 

  • Finanzielle Verankerung: Die Maßnahmen fließen in Planungsprozesse und Budgets ein, um Finanzierung, Ressourcenallokation und Steuerbarkeit bis mindestens zum Zieljahr, z.B. near-term 2030 sicherzustellen (siehe dazu auch Schritt 4.) 

3. Transparenz schaffen: Reporting Readiness

Ein CTP muss sowohl regulatorisch konform als auch Stakeholder-orientiert kommuniziert werden: 

  • CSRD & ESRS E1: Unternehmen müssen konkrete Dekarbonisierungsziele, Maßnahmen, Investitionspläne, Meilensteine und Verantwortlichkeiten offenlegen. 

  • Verzahnung mit freiwilligen Standards: TCFD, CDP und SBTi bieten ergänzende Leitlinien zur Methodik und Vergleichbarkeit. 

  • Dokumentation & Kommunikation: Viele Unternehmen erstellen eigenständige CTP-Reports abseits der umfangreichen Nachhaltigkeitsberichte, um dem Thema Klimatransformation nochmal gesonderte Aufmerksamkeit zu widmen. 

4. Wirkung entfalten: Steuerung und Integration

Ein Climate Transition Plan entfaltet seine Wirkung nur, wenn er tief in die Organisation eingebettet ist: 

  • Verankerung in Steuerungssystemen: THG-Ziele werden Bestandteil der finanziellen Planung, des Performance Managements und der individuellen MbO-Zielvereinbarungen. Dafür sind spezifische KPIs notwendig, um die unterschiedlichen Emissionskategorien entsprechend in den dazugehörigen verantwortlichen Abteilungen/Bereichen zu verankern. 

  • Interner CO₂-Preis: Ein teilweise fiktiver, aber strategisch definierter CO₂-Preis ermöglicht fundierte Investitionsentscheidungen und macht Umweltkosten sichtbar (z.B. In Investitionsentscheidungen, im Einkauf, etc.). Unternehmen sollten hier mittelfristig zu einer „Total Cost of Ownership inkl. CO2-Kosten“ kommen. 

  • Governance, Rollen & Know-how: Klare Entscheidungsstrukturen, definierte Verantwortlichkeiten sowie etablierte Gremien wie ESG-Komitees sichern die Umsetzung des CTP. Ergänzend braucht es ausreichend Kapazitäten und gezielte Kompetenzen im Bereich Klimamanagement – sowohl strategisch als auch operativ, um die Umsetzung wirksam zu gestalten. 

  • Stakeholder-Einbindung: Mitarbeitende, Kunden, Investoren und Öffentlichkeit werden gezielt adressiert, um Akzeptanz und Engagement zu fördern. 

  • Monitoring & Dashboards: Digitale Tools ermöglichen die Echtzeit-Verfolgung von Fortschritten und erleichtern die Steuerung und Nachjustierung. Insbesondere ein kontinuierliches Tracken der Emissionen hilft bei der Zielerreichung. Der CCF sollte an selektierten Stellen „permanent“ (z.B. monatliches Energie-Monitoring) und nicht nur einmal im Jahr rückwirkend berechnet werden. 

Fazit: Vom Plan zur Transformation

Ein Climate Transition Plan ist kein reines bürokratisches Erfordernis – er ist ein zentrales Steuerungsinstrument für die Dekarbonisierung und nachhaltige Transformation eines Unternehmens. Gerade in Zeiten knapper Budgets und steigendem Druck auf Investitionen muss Klimaschutz realistisch, integriert und wirtschaftlich tragfähig gestaltet werden. Ein wirksam gesteuerter Climate Transition Plan braucht eine valide Datenbasis, klare Verantwortlichkeiten und eine enge Verzahnung mit der Unternehmensstrategie. Entscheidend sind realistische Maßnahmen, flexible Strukturen sowie eine zielgerichtete Kommunikation, um interne und externe Stakeholder aktiv einzubinden. 

Jedes Unternehmen hat einen individuellen Startpunkt. Doch nur wer einen konsistenten, belastbaren und operativ verankerten CTP entwickelt, wird seine Emissionsziele langfristig und glaubwürdig erreichen – und sich gleichzeitig Wettbewerbsvorteile in einem zunehmend klimaorientierten Markt sichern. 

Jonas, C.