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Wirtschaftlichkeit von Wasserstoffanwendungen am Beispiel Mobilität

Zur Erreichung der Klimaziele spielt die Dekarbonisierung des Mobilitätssektors eine zentrale Rolle. Um die Transformation hin zu emissionsarmen Antrieben zu beschleunigen, werden Regularien wie die kürzlich definierte Clean Vehicles Directive (CVD) verabschiedet. Dabei bietet nicht nur der innerstädtische Nahverkehr, sondern auch der überregionale Wirtschaftsverkehr Möglichkeiten für die Nutzung von Wasserstoffantrieben. Hier stellt sich die Frage, ob ein wirtschaftlicher Einsatz dieser Technologie möglich ist – und vor allem ab welchem Zeitpunkt.

Bereits im ersten Teil unserer Artikelreihe „Wirtschaftlichkeit von Wasserstoffanwendungen“ hat sich am Beispiel der Stahlindustrie gezeigt, dass die Erzeugung mittels Wasserstoff eine der aussichtsreichsten Lösungen für die Reduzierung der Emissionen in der Stahlindustrie darstellt. Zwei weitere Anwendungsfälle finden sich im Mobilitätsektor: Ferntransport mit LKW und Busse im ÖPNV. Für diese haben wir die Bewertung der spezifischen Wirtschaftlichkeit auf Basis verschiedener Zukunftsszenarien analysiert. Ziel ist es, fossile Antriebsarten mit Wasserstoffantrieben hinsichtlich des wirtschaftlichen Einsatzes zu vergleichen. Denn besonders im öffentlichen Nahverkehr entsteht Handlungsdruck durch die CVD. Die Direktive setzt erstmals verbindliche Mindestziele für die Beschaffung emissionsarmer sowie -freier Fahrzeuge bei der öffentlichen Auftragsvergabe. Betroffen sind insbesondere Verkehrs- und Mobilitätsdienstleister sowie bestimmte privatrechtlich organisierte Akteure.

In unserem Analysemodell vergleichen wir die Alternativantriebe hinsichtlich ihrer Total Costs of Ownership (TCO) für unterschiedliche Preisentwicklungen (Szenarien). Neben den Anschaffungs- und Instandhaltungskosten beziehen wir auch Kraftstoff- und Infrastrukturkosten ein.

Einsatz von Wasserstoff kurzfristig weder in Bussen noch in LKW wirtschaftlich

Sowohl im öffentlichen Nahverkehr als auch bei Ferntransporten mit LKW dominieren heutzutage dieselbetriebene Fahrzeuge. Neben Erdgas als weiterer fossiler Antrieb haben wir für die Analyse auch den batterieelektrischen Antrieb und die wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle betrachtet. Getrieben durch politische Maßnahmen zur Dekarbonisierung steigt die Bereitschaft zum Wechsel auf emissionsärmere Antriebe im Nah- und Fernverkehr. Vereinzelte Pilotprojekte für Wasserstoffbusse sind bereits gestartet. Unter Berücksichtigung der aktuellen Wasserstoffpreise ist jedoch noch kein profitabler Einsatz von Wasserstoffantrieben möglich. Zu hoch sind derzeit die Anschaffungs- sowie Betriebskosten.

Zur Erreichung von Kostenparität ist ein Rückgang der Bereitstellungskosten von grünem Wasserstoff unabdingbar. Damit einhergehend ist neben Effizienzgewinnen und Skaleneffekten auch der Rückgang der effektiven Stromkosten von erneuerbaren Energien notwendig. Wie bereits in unserem Artikel zum Anwendungsfall in der Stahlindustrie angeführt, wäre dafür die teilweise Befreiung des zur Elektrolyse eingesetzten erneuerbaren Stroms von Steuern, Umlagen und Netzentgelten eine mögliche regulatorische Maßnahme.

Steigt gleichzeitig auch der CO2-Preis, wovon aktuell auszugehen ist, wird der Einsatz von wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen im öffentlichen Nahverkehr als auch für den Ferntransport von Gütern mit LKW attraktiver. Je größer die Effekte hierbei ausfallen (Reduzierung des Wasserstoffpreises und Steigerung des CO2-Preises), desto früher wird der Einsatz von Wasserstoff gegenüber fossilen Antriebsformen wettbewerbsfähig.

Sinkende Wasserstoffpreise bei gleichzeitig steigenden CO2-Preisen erforderlich

Um zu veranschaulichen, ab wann klimaneutraler Nahverkehr mit Bussen sowie LKW für den Nutzverkehr profitabel sind, haben wir drei Szenarien („geringe Veränderung“, „deutliche Signale“ und „grundlegender Wandel“) definiert und verglichen. Die Szenarien unterscheiden sich in der zukünftigen Entwicklung der Erzeugungskosten von Wasserstoff und dem CO2-Preis, wobei die Parameter von „geringe Veränderungen“ bis „grundlegender Wandel“ immer stärker von der derzeitigen Ist-Situation abweichen (sinkender Wasserstoffpreis und steigender CO2-Preis).

Die Abbildung zeigt die Kostenverläufe für das Szenario „deutliche Signale“ und lässt erkennen, dass mittel- bis langfristig eine deutliche Kostenabnahme für Wasserstoff zu erwarten ist. Zeitgleich werden konventionelle Antriebe durch steigende CO2-Preise unattraktiver. Aktuell sind aufgrund der Mautbefreiung Erdgas-LKW theoretisch günstiger als dieselbetriebene, dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung der Verfügbarkeit von LNG-Tankstellen.

Prognostizierte Kostenentwicklungen der Total Cost of Ownership (TCO) im moderaten Szenario

Da eine genau Vorhersage der Rohstoffpreise über eine solche Zeitspanne unmöglich ist, sollen die analysierten Szenarien lediglich eine Indikation möglicher Zukunftsentwicklungen geben. Die Kostenmodellierung lässt erkennen, dass bei steigendem CO2-Preis eine Kostenparität von Wasserstoff gegenüber Diesel und Erdgas erreicht werden kann. Besonders auf innerstädtischen Strecken scheinen jedoch batterieelektrische Busse die bessere Alternative bei emissionslosen Antrieben zu bleiben. Erst auf längeren Strecken mit weniger Lademöglichkeiten ist die Brennstoffzelle aufgrund der hohen Energiedichte von Wasserstoff wirtschaftlich und damit wettbewerbsfähig.

Auch im Ferntransport mit LKW zeigt sich, dass Wasserstoff erst mittel- bis langfristig eine echte Alternative wird. Der Einsatz einer wasserstoffbetriebenen Brennstoffzelle wird hier attraktiver als die batterieelektrische Lösung. Grund sind die geringeren Akkukapazitäten, die FCEVs benötigen.

Wasserstoff kann mittel- bis langfristig Wirtschaftlichkeit im Mobilitätssektor erreichen

Unsere Analyse zeigt, dass grüner Wasserstoff auch im Mobilitätsektor eine Daseinsberechtigung hat. Für bestimmte Anwendungsfälle lässt sich unter Berücksichtigung einiger Erfolgsfaktoren ein wirtschaftlicher Einsatz von grünem Wasserstoff realisieren:

  • Sicherstellung einer nachhaltigen Förderung für alternative Antriebe im Mobilitätssektor
  • Ausbau einer flächendeckenden Infrastruktur mit Wasserstofftankstellen
  • Schaffung einer kostengünstigen Elektrolyse zur Senkung der Wasserstoffpreise

Fossile Brennstoffe werden im Mobilitätssektor zukünftig also deutlich an Bedeutung verlieren und alternative Antriebe ins Zentrum rücken. Sowohl die wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle als auch der batterieelektrische Antrieb wird in der Dekarbonisierung des öffentlichen Nahverkehrs und dem Ferntransport mit LKW eine Schlüsselposition einnehmen. Regularien wie die eingangs erwähnte CVD zwingen die Mobilitätsbranche mittelfristig zu einem Umdenken und beschleunigen somit die Entwicklung hin zu emissionsarmen bzw. -freien Antrieben. Insbesondere auf kurzen Strecken, beispielsweise auf innerstädtischen Busstrecken, wird der Einsatz von batterieelektrischen Fahrzeugen mittel- als auch langfristig wirtschaftlicher sein. Im Fernverkehr andererseits scheint aufgrund der zurückzulegenden Strecken mit einer hohen zu transportierenden Masse Wasserstoff mit seiner höheren Energiedichte die bessere Alternative zu fossilen Antrieben darzustellen.

Ausblick auf weitere Anwendungsfälle

Nachdem wir in unseren ersten beiden Artikeln Anwendungsfälle aus der energieintensiven Industrie und der Mobilität analysiert haben, werden weitere Anwendungsfälle für grünen Wasserstoff folgen. Der Fokus wird auf dem Einsatz von grünem Wasserstoff in der stationären Stromerzeugung und in Heizsystemen liegen. Gerne diskutieren wir unsere Erkenntnisse und Einschätzungen bezüglich der Zukunft des Wasserstoffs auch in einem persönlichen Gespräch mit Ihnen – kommen Sie auf uns zu!

Schwenzer, A. / Langner, M. / Stanner, S.