Maschinen- und Anlagenbau neben Automobil- und Chemieindustrie am härtesten von Zöllen betroffen – 60 Prozent erwarten schmerzhafte Umsatzeinbußen im US-Geschäft, neun von zehn gehen von negativer Entwicklung aus
Drei Viertel erwarten zudem, relevante EU-Marktanteile an China-Konkurrenz zu verlieren
Jede fünfte Stelle in Deutschland wird gestrichen, um Kosten zu reduzieren
KI-Budgets um 36 Prozent erhöht – insgesamt wird jedoch zu wenig investiert
Der Maschinen- und Anlagenbau in Deutschland steht unter nie dagewesenem Kosten- und Wettbewerbsdruck, wie eine aktuelle Horváth-Studie unter mehr als 120 Vorstands- und Geschäftsführungsmitgliedern weltweit tätiger Topplayer der Branche zeigt, mehrheitlich aus Deutschland. Die Branche gehört zusammen mit der Automobil- und der Chemieindustrie zu den Industriezweigen, die am härtesten von den von der US-Regierung erlassenen Zöllen auf EU-Waren betroffen sind, da sie besonders exportorientiert sind. Neun von zehn Maschinen- und Anlagenbauern geben an, dass sich Zölle auf EU-Waren negativ ihr US-Geschäft im laufenden Jahr auswirken, 57 Prozent gehen von herben Umsatzeinbußen aus. „Der Zoll-Deal trifft den Maschinenbau hart. Sie sind jetzt zwar berechenbar, die weitere Geschäftsentwicklung besser planbar – dies ändert jedoch nichts daran, dass sie sie den Kostendruck weiter erhöhen, und das wird auch Arbeitsplätze kosten“, sagt Dr. Ralf Sauter, Studienleiter und Partner bei Horváth. Der Experte warnt jedoch davor, sich zu stark auf die Zollbelastung zu konzentrieren. „Die Zölle können mit Kostenoptimierung und Verlagerungen gemanagt werden, doch echter strategischer Handlungsbedarf ergibt sich von der entgegengesetzten Seite, nämlich aus der Konkurrenz aus China“, so Sauter.
Drei Viertel gehen davon aus, heimische Marktanteile an China-Konkurrenz zu verlieren
Wie die Studie zeigt, gehen 73 Prozent der befragten Vorstands- und Geschäftsführungsmitglieder davon aus, dass chinesische Hersteller aufgrund der Handelsrestriktionen im US-Markt massiv in den europäischen Heimatmarkt drängen und Marktanteile gewinnen werden. Die Mehrheit gibt darüber hinaus an, dass Produkte der chinesischen Konkurrenz den deutschen Produkten in Qualität und Technologie bereits in nichts mehr nachstehen. „Das setzt die heimischen Hersteller unter Zugzwang. Sie setzen daher verstärkt auf Innovationen, Forschung und Entwicklung sowie KI“, sagt Studienleiter Sauter. Hinter Kostenoptimierung steht das Thema als strategische Managementpriorität an zweiter Stelle, gefolgt von Automatisierung & KI. 83 Prozent der Befragten geben konkret an, ihre Investitionen im Bereich R&D zu verstärken.
Zugänge zu chinesischen Herstellern gesucht
Um im Verdrängungswettbewerb auf dem heimischen Markt nicht unterzugehen, suchen die Maschinen- und Anlagenbauer zudem händeringend nach Möglichkeiten, ihre Komponenten bei chinesischen Anbietern unterzubringen. „Lokal in China produzierte Teile sollen dort von chinesischen Produzenten verbaut und in den Weltmarkt exportiert werden – so wollen die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer ihr Stück vom Kuchen sichern“, so Ralf Sauter von Horváth. Vier von fünf Unternehmen der Branche fahren diese Strategie. Jedoch: „Wenn alle aufs gleiche Tor schießen, ist auch absehbar, dass das nicht aufgeht“, so Sauter.
Personalverlagerungen führen zu 20 Prozent weniger Stellen in Deutschland
In dieser angespannten finanziellen Situation wird nicht mit Personalaufbau geplant. „Eine durchschnittliche Personalentwicklung von +2%, wie sie sich aus unseren Befragungen ergibt, ist gleichzusetzen mit Stagnation“, so Sauter. Was aus Sicht des Experten jetzt massiv in den Fokus gesetzt wird, sind strukturelle Verlagerungen. „Auch wenn bereits viele Unternehmen Produktionsstandorte in den USA aufgebaut haben, werden weitere strukturelle Anpassungen notwendig werden“, sagt Horváth-Partner Ralf Sauter. Um ihre Kosten zu reduzieren, verlagern die Unternehmen Fabriken und Verwaltungsfunktionen vermehrt ins Ausland. In Deutschland werden über die kommenden drei Jahre etwa 20 Prozent der Stellen wegbrechen beziehungsweise global verteilt. Über alle Regionen hinweg ist in Indien der stärkste Personalaufbau geplant. Auch China, Nordamerika und Osteuropa stehen hoch im Kurs.
Commitment zum deutschen Headquarter
Investitionen finden ebenfalls mit Fokus auf diese Märkte statt. Bei Unternehmen mit deutschem Standort ist Nordamerika der Markt, in dem nach der eigenen Region am stärksten investiert wird (16%; +2%). Es folgen West- und Südeuropa (13%; +3%), Osteuropa (12%; +2%) und China (11%; +4%). In Deutschland verbleiben aktuell 37% des CAPEX (-1%). „Es wird hier am Standort zwar kein Personal aufgestockt, aber ins Headquarter investiert – in Forschung und Entwicklung, in technologische Innovation“, so Horváth-Partner Sauter. Leicht abgenommen haben auch Investitionen in asiatische Länder abseits von Indien und China, in Mittel- und Südamerika sowie Afrika und Australien – alles Regionen, in denen ohnehin kaum investiert wurde. „Wir sehen hier, dass die Unternehmen sich auf ihre Kernmärkte fokussieren. Und das gleiche gilt auch fürs Portfolio, das heißt die Hersteller konzentrieren sich auf ihre Kernprodukte, was auch Divestments zur Folge hat, also die Trennung von unrentablen Geschäftsbereichen, sowie auch eine Abkehr von Nachhaltigkeitsaktivitäten, die keinen Mehrwert bringen“, sagt Horváth-Partner und Industrieexperte Dr. Ralf Sauter.
KI-Investitionen um mehr als ein Drittel gestiegen
Ein weiteres Handlungsfeld, das die Maschinenbauer zur Kostenreduktion gerade im Fokus haben, ist Automation und KI. 90 Prozent der Befragten wollen ihre Bemühungen verstärken, AI & Data Technology in allen Unternehmensbereichen ausrollen. Im Vergleich zu 2024 haben die Maschinen- und Anlagenbauer ihre Budgets für KI-Technologie und -Implementation um 36 Prozent erhöht. Ein genauer Blick offenbart jedoch: Anteilig am Umsatz investiert die Branche im Vergleich mit anderen Industriezweigen besonders wenig, startet also auf einem sehr geringen Level. Die Maschinen- und Anlagenbauer schätzen auch das Einsparpotenzial durch eine KI-getriebene höhere Effizienz geringer ein als andere Zweige des produzierenden Gewerbes. „Insgesamt muss man sagen, dass der Hebel noch nicht ausreichend genutzt wird und die Branche hier dringenden Aufholbedarf hat. Die KI-Versprechungen dürfen keine Lippenbekenntnisse bleiben“, sagt Ralf Sauter von Horváth.
Über die Studie
Für die großangelegte Horváth-Studie wurden Interviews mit insgesamt über 1.000 Vorständen und Geschäftsführungsmitgliedern großer international agierender Unternehmen geführt, davon 127 Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau, mehrheitlich aus Deutschland. Die Interviews wurden im zweiten Quartal 2025 geführt.