- Es wird mit Hochdruck umstrukturiert hin zu schlankeren, agileren Organisationen
- Branche zögert bei KI-Investitionen und lässt wertvolles Potenzial ungenutzt
- Asiatische Online-Konkurrenz macht den Händlern trotz schlechter Qualität zu schaffen – unter anderem aufgrund von sinkendem Interesse an Nachhaltigkeit
- 93 Prozent von Zukunftsfähigkeit des stationären Handels überzeugt
Europäische Handelsunternehmen gehen davon aus, das Geschäftsjahr 2025 mit einer durchschnittlichen EBIT-Marge von 5 Prozent (Median) abzuschließen. Diese Einschätzung beinhaltet bereits eingerechnete Effekte aus Kostensenkungs- und Effizienzsteigerungsmaßnahmen, die branchenübergreifend auch für 2025 noch ganz oben auf der Agenda stehen. Die Unternehmen begegnen dem Kostendruck außerdem durch tiefgreifende Umstrukturierungen. Das zeigt eine von der Managementberatung Horváth durchgeführte Umfrage unter Führungskräften der Retail-Branche. Gefragt nach ihren diesjährigen Managementprioritäten gaben die Retail-CxOs an, dass neben allgemeiner Kostenoptimierung und Digitalisierung im Vergleich zum Vorjahr einige Handlungsfelder stark in der Wichtigkeit gestiegen sind.
Dies deutet darauf hin, dass die Firmen sich schlanker und agiler aufstellen wollen. So sind Reorganisationsthemen im Ranking der Prioritäten von Platz 9 auf Platz 2 aufgestiegen. Geschäftsmodellanpassungen sind um vier Plätze nach oben gestiegen auf Platz 4. Anpassungen in der Supply-Chain sind um sechs Plätze hinaufgeklettert, von Platz 11 auf Platz 5. „Während im vergangenen Jahr Finanz- und Risikothemen im Vordergrund standen sowie auch Personalstrategien, geht es jetzt an die systematische Transformation der Branche“, sagt Johannes Isensee, Partner und Handelsexperte bei Horváth. „Dabei spielt auch KI eine bedeutende Rolle.”
Branche noch zögerlich bei KI-Investitionen
Die Unternehmen zeigen sich bei KI-Investitionen weiterhin zögerlich, obwohl anstehende Strukturreformen und notwendige Ergebnisverbesserungen einen tiefgreifenden Wandel erfordern. Während bereits erste Einsparungen durch KI-Nutzung von durchschnittlich acht Prozent bei den Personalkosten in Marketing, Vertrieb und CRM erwartet werden, liegen die tatsächlichen Potenziale deutlich höher: „Nicht nur interne Personalkosten, sondern auch Dienstleister- und Werbekosten könnten mindestens in gleicher Höhe sinken, sofern jetzt konsequent in KI investiert wird“ prophezeit Isensee. Gleichzeitig rechnen 54 Prozent der Befragten damit, dass sich Geschäftsmodelle, Strukturen und Prozesse im Handel durch zunehmenden Einsatz der Technologie innerhalb der nächsten zwei Jahre radikal verändern werden. Dennoch bleibt das KI-Budget mit 0,4 Prozent des Gesamtumsatzes unverändert niedrig. Angesichts hoher Umsätze bei geringen Margen im Handel warnt Horváth-Experte Isensee vor der Gefahr, dass die Digitalisierung und insbesondere die KI-Implementierung nicht mit den notwendigen Ressourcen vorangetrieben werden.
Omnichannel als Erfolgsgarant
Dabei ist die Aufstellung als Omnichannel-Vertrieb für viele Händler eine Chance für ein erfolgreiches Handelskonzept. Eine Omnichannel-Strategie ist aber mehr als nur das Angebot von „Click & Collect“ oder „Ship-from-Store“. Es ist eine ganzheitliche Transformation des Unternehmens in seinem Operating Model und funktioniert erst, wenn auch die Organisation entsprechend ausgerichtet ist. Die Potenziale und den Handlungsbedarf hat die Branche erkannt: 81% der befragten Führungskräfte sehen hier weiteren Transformationsbedarf in Bezug auf Steuerung, Vertriebsorganisation, Logistik, IT-Systeme wie auch die Unternehmenskultur und Skills der Mitarbeitenden.
Sinkender Nachhaltigkeitstrend befeuert asiatische Online-Konkurrenz
Fast Retailer („Manufacturer to Consumer“) wie Temu und Shein bleiben für den Handel eine Herausforderung. Diese Tech-Unternehmen treten mit einer vollständig digitalisierten Wertschöpfungskette gegen etablierte Handelsmodelle an. „Auch wenn die Produktqualität häufig zu wünschen übriglässt, bleiben diese Plattformen gerade für preisbewusste Kunden eine attraktive Alternative“, so Johannes Isensee. 70 Prozent der befragten Händler betrachten die asiatische Konkurrenz daher trotz ihrer Qualitätsdefizite sowie trotz der zu erwartenden regulatorischen Anpassungen als kritisch für die eigene Wettbewerbsposition. Dem Experten zufolge hängt dieser Trend auch mit dem sinkenden Interesse an Nachhaltigkeit zusammen. Zwei Drittel der befragten Unternehmensverantwortlichen sagen aus, dass Nachhaltigkeit nicht nur aufgrund von gelockerten regulatorischen Vorgaben im Handel an Bedeutung verliert, sondern vor allem auch aufgrund der sinkenden Zahlungsbereitschaft der Kunden für nachhaltige Produktion und Materialien.
Klares Bekenntnis zum stationären Handel
Von der Zukunftsfähigkeit des stationären Handels und der Innenstädte sind nahezu alle befragten Retailer überzeugt (93 Prozent). Erfolgskritisch sind aus Sicht der Teilnehmenden der Studie vor allem der Fokus auf das Kauferlebnis, die Beratungsqualität sowie die konsequente Omnichannel-Integration. Auch strukturelle Rahmenbedingungen, wie eine gute Erreichbarkeit, faire Mietpreise und die Besteuerung von Onlineplattformen wie Amazon werden als erfolgsentscheidende Faktoren genannt.
Das gesamte Management-Prioritäten-Ranking der Retail-Unternehmen 2025
(mit Veränderung zu 2024)
- Kostenoptimierung (unverändert)
- Reorganisation von Strukturen und Prozessen (+7)
- Digitalisierung & KI (unverändert)
- Optimierung von Gruppenstrategie & Geschäftsmodell (+4)
- Optimierung von Produktionsstrukturen und Supply Chain (+6)
- Anpassung von Pricing- und Erlösmodellen (unverändert)
- Verbesserung der finanziellen Performance und Risikomanagement (-3)
- Verbesserung der Liquidität (-6)
- Cyber Security (-2)
- Strategische Personalthemen (-5)
- Ökologische Orientierung / Nachhaltigkeit (-1)
- Innovation und Forschung & Entwicklung (neue Priorität)
- M&A bzw. Divestments von Geschäftsbereichen (unverändert)
Über die Studie
Für die Horváth-Studie „Management Priorities in Retail 2025“ wurde eine repräsentative Auswahl an Unternehmensverantwortlichen aus großen, namhaften Handelsunternehmen befragt, mehrheitlich aus Deutschland. Die Stichprobe umfasst mehr als 40 Mitglieder aus Vorstand und Geschäftsführung, mit denen persönliche Tiefeninterviews geführt wurden. Diese fanden im Rahmen der großangelegten internationalen Horváth-Studie „CxO Priorities Studie“ statt, für die im zweiten Quartal 2025 insgesamt über 1.000 Topmanagerinnen und -manager branchenübergreifend befragt wurden.