- Branche setzt auf Resilienz und Skalierung statt Preiskampf
- Technologie-Investitionen steigen, doch es hapert an der Implementierung
- Fragile Lieferketten und Fachkräftemangel hemmen das Wachstum
- 91 Prozent der Führungskräfte fordern eine schnellere Beschaffung
Die deutsche Verteidigungsindustrie befindet sich in einer Phase nachhaltigen Wachstums. Getrieben von geopolitischen Spannungen, gestiegenem Verteidigungsbedarf und politischer Unterstützung steigt die Nachfrage nach militärischer Ausrüstung und Technologie spürbar. Dennoch beklagen neun von zehn Führungskräften aus der Branche zu langsame Genehmigungs- und Beschaffungsverfahren, um die Dynamik voll auszuschöpfen. Das sind Ergebnisse aus der Studie „Defense Insider Priorities“, die die Managementberatung Horváth gemeinsam mit der Tochtergesellschaft Interim-X durchgeführt hat.
Technologische Innovationen im strategischen Fokus – doch KI ist noch nicht im Betrieb angekommen
In der strategischen Ausrichtung herrscht breite Einigkeit unter den Führungskräften. 83 Prozent investieren gezielt in Innovation, Forschung & Entwicklung, 80 Prozent setzen auf den verstärkten Einsatz von KI und Big Data. Um das Wachstum operativ abzusichern, steht die Skalierung über Stückzahlen im Vordergrund. Dafür bauen 69 Prozent lokale Lieferketten auf, 70 Prozent stärken ihre Produktionsstandorte gegen externe Störungen. Nur 25 Prozent verfolgen dagegen aktiv Strategien zur Kostenwettbewerbsfähigkeit. „Die Branche ist definiert durch technologische Stärke und hohe Nachfrage, nicht über Kostenführerschaft", sagt Christoph Ketterle, Verteidigungsexperte bei Horváth. „KI, Resilienz und Digitalisierung stehen im Zentrum der Transformation.“ Doch obwohl der verstärkte KI-Einsatz zu den am höchsten priorisierten Themen gehört, ist er in der betrieblichen Realität noch nicht angekommen, zeigt die Studie. Bislang nutzen nur 18 Prozent die Technologie bereits voll integriert im Produkt- und Dienstleistungsangebot, ebenso viele in der Kundenkommunikation. In betrieblichen Prozessen setzen nur 12 Prozent KI ein, ebenso wie im Leistungsmanagement und in der strategischen Entscheidungsfindung. In Verwaltungsprozessen liegt der Wert sogar bei nur sechs Prozent. „KI bleibt bei vielen bisher eine Investitionsabsicht, keine Betriebsrealität. Die Digitalisierung beginnt bei den Prozessen und damit fehlt oft schon das Fundament“, sagt der Verteidigungsexperte. „Reife, Prozesse und Personal fehlen – das kostet Tempo.“
Fachkräftemangel bremst Wachstum – Branchenimage bleibt weiterhin zurück
Neben technologischen Hürden sehen 72 Prozent der Befragten auch strukturelle Defizite als Wachstumsbremse. Vor allem fragile Lieferketten und Fachkräftemangel werden als Engpässe genannt. Zwar bewertet mehr als die Hälfte der Rüstungsunternehmen den Stand von Forschung und Entwicklung in Deutschland als solide, doch mangelt es gerade mit Blick auf künftiges Wachstum an einer stabilen Personalsituation. 59 Prozent berichten schon jetzt von einem schweren bis kritischen Fachkräftemangel. Die Branche erkennt zunehmend die Bedeutung von Kommunikation und Transparenz: 88 Prozent halten sie für zentrale Hebel, um neue Talente zu gewinnen. Sieben von zehn Befragten sehen in einer verbesserten Außenkommunikation eine wirksame Maßnahme, um das Branchenimage zu verbessern. Dieses bezeichnen 47 Prozent der Befragten nach wie vor selbstkritisch als schlecht bis sehr schlecht.
Beschaffung dauert zu lange: Nationale Interessen stehen im Vordergrund
Grundsätzlich sehen die Unternehmen das Marktumfeld positiv. Dennoch fordern die Verantwortlichen deutlich vereinfachte Beschaffungs- und Vergabeverfahren. Nahezu jedes zweite Unternehmen sieht nationale Interessen als Hemmnis für die strategische Autonomie Europas im Rüstungsbereich. Fortschritte bei europäischen Verteidigungsprojekten wie FCAS und MGCS gelten als langsam bis kritisch (81 Prozent). Gleichzeitig befürchten 61 Prozent, dass Deutschland bei Schlüsseltechnologien wie Drohnen und KI den Anschluss verliert. „Die Industrie ist bereit – aber das System ist zu langsam“, sagt Christoph Ketterle. „Wer heute in Milliardenhöhe investiert, braucht Verfahren, die Schritt halten.“
Über die Studie
Für die Studie „Defense Insider Priorities“ wurden 73 Fach- und Führungskräfte aus der deutschen Verteidigungsindustrie befragt, darunter 15 CxOs führender Unternehmen. Die Studie wurde von der Managementberatung Horváth in Zusammenarbeit mit der Executive-Vermittlungsplattform Interim-X durchgeführt. Untersucht wurden strategische und operative Prioritäten, technologische Reife, Standortfragen, Fachkräftemangel und internationale Kooperationsfähigkeit.