Insurance Insights

Strategische Alleinstellung im Schadenmanagement von Versicherungen: Worauf kommt es Kunden im Schadenfall an?

Unsere Customer-Experience-Studie zeigt: Nie war die Kundenzufriedenheit in der Versicherungsbranche höher. Allerdings ist die Zufriedenheit nicht in allen Bereichen gleichermaßen hoch. Handlungsbedarf besteht vor allem im Schadenfall. Hier können Versicherer durch die gezielte Optimierung und Differenzierung eine nachhaltige strategische Alleinstellung in der Kundeninteraktion erzielen.

Versicherungsunternehmen ist es gelungen, die Kundenzufriedenheit in den vergangenen Jahren kontinuierlich zu steigern, wie unsere Studie deutlich macht. Anders als bei anderen Touchpoints empfinden Kunden die Interaktion mit einem Versicherer im Schadenfall jedoch als weniger positiv. Ausgerechnet in dem Moment, in dem Versicherer ihr Leistungsversprechen greifbar machen können, überzeugen sie also zu selten – und können im schlechtesten Fall langjährige Kunden verlieren. Versicherungen sollten den Schadenfall daher aktiv als Chance zur strategischen Positionierung in der Kundeninteraktion nutzen.

“Anders-sein“ und „Besser-sein“ für strategische Alleinstellung

Für Versicherer ist es essenziell, den Kunden im Schadenfall einen Mehrwert zu bieten, um die Zufriedenheit zu erhöhen. Dies können sie einerseits durch ein besseres Schadenmanagement umsetzen („Besser-sein“) als auch durch das Anbieten von entsprechenden Leistungen, die über die generische Schadenregulierung hinaus gehen („Anders-sein“). Der Schadenfall sollte strategisch entlang der Kundenerwartung positioniert werden.

Abbildung 1: Horváth Strategieverständnis: „Anders-sein“ und „Besser-sein“

„Besser-sein“ durch kundenorientierte Interaktion

Der Schadenfall ist auf Kundenseite durch hohe Unsicherheit, Stress und Emotionalität geprägt. Für den Versicherer leitet sich hieraus die Anforderung ab, möglichst empathisch, transparent und flexibel auf den Kunden einzugehen. Aktuell zeigt sich jedoch, dass Versicherer die Wünsche ihrer Kunden noch nicht gut genug kennen bzw. diese nicht aktiv aufgreifen und adressieren. Im Zuge der Corona-Krise hat sich der Wunsch eines digitalen Zugangswegs gegenüber 2017 verdoppelt – aktuell kennen jedoch nur knapp 40 Prozent der Versicherungskunden Möglichkeiten eines digitalen Kontaktkanals zum Versicherer. Während diese Kanäle meist breit gestreut sind (z. B. E-Mail, Kundenportal, App-Lösungen, digitale Formulare), werten Kunden sie unterschiedlich positiv. Auffallend ist, dass vor allem strukturierte Kanäle, wie eine digitale Schadenmeldung, bei Kunden positiver wahrgenommen werden als unstrukturierte (z. B. E-Mail). Folglich stehen Versicherungen vor der Herausforderung, die Kundenerwartungen zu verstehen und entsprechende Lösungen zu entwickeln. Fokusbereiche sollten sich dabei auf folgende Dimensionen beziehen:

  • Jeder zweite Schaden wird persönlich bzw. telefonisch gemeldet, sodass der Kundenwunsch einer emphatischen Interaktion mit dem Versicherer innerhalb dieses Kontaktpunkts proaktiv erfüllt werden sollte.
  • Ein wesentlicher Kritikpunkt von Kunden innerhalb des Schadenprozesses ist die bestehende Intransparenz zu den Anforderungen und den weiteren Schritten in der Schadenregulierung. Hierin besser zu werden, etwa durch gezielte Push-Nachrichten, Statustracking im Kundenportal bzw. der App oder dem E-Mail-Link, sowie eine initiale Ablaufbeschreibung sind einzelne Lösungsansätze, die bereits erfolgreiche im Markt umgesetzt werden.
  • Das Anbieten und flexible Wechseln bzw. Verknüpfen von digitalen und analogen Kommunikationskanälen wird vor allem seit der Corona-Krise intensiver gefordert. Diese Wege auf die Kundensegmente und damit einhergehende Erwartungshaltungen auszurichten, wird ein wesentlicher Differenzierungsfaktor sein.

Um ein – den Umständen entsprechend – positives Schadenerlebnis sicherzustellen, ist es also wichtig, die konkreten Kundenbedürfnisse zu verstehen, sie in passende Lösungen zu überführen und diese bei der Ausgestaltung konsequent an den Erwartungen auszurichten. Nur so gelingt es, eine spürbar bessere Schadenbearbeitung zu etablieren, die sich von Wettbewerbern unterscheidet. So kann ein Versicherer sich zum „Best-in-Class“ entwickeln.

„Anders-sein“ durch individuelles, passgenaues Schadenmanagement

Aktuell empfindet nur jeder vierte Kunde die Beratung im Schadenfall als bedarfsgerecht. Die Mehrheit fühlt sich somit nicht zielgerichtet betreut und bewertet die Interaktion mit dem Versicherer negativ. Versicherer, die Kunden eine individuelle und passende Lösung anbieten und hierbei über die standardisierte Schadenbearbeitung hinaus Unterstützung bieten, werden wiederum sehr positiv bewertet – und etwa 25 Prozent aller Kunden würden den Versicherer aktiv weiterempfehlen. Doch welche Maßnahmen und Lösungen können innerhalb der Schadenbearbeitung eingebettet werden, um Mehrwert zu bieten? Ansätze sind beispielsweise:

  • Das Anbieten von kostenneutralen Instandsetzungsmaßnahmen, wie zum Beispiel das Streichen eines Raums in der Wunschfarbe des Kunden im Anschluss an einen Wasserschaden
  • Die Möglichkeit, Schadenzahlungen in Gutscheine umzuwandeln, die über dem eigentlichen Auszahlungsbetrag liegen
  • Alternativ zu einem Ersatzfahrzeug im Kfz-Schadenfall das Angebot eines flexibel einsatzbaren Mobilitätsgutscheins
  • Eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Instandsetzung innerhalb der Regulierung, falls gewünscht

Um für Kunden tatsächlich eine mehrwertstiftende Schadenbearbeitung anzubieten, ist es also wichtig zu wissen, welche Angebote gewünscht und positiv bewertet werden. Berücksichtigen Versicherer diese, können sie sich von ihren Wettbewerbern differenzieren und im Schadenfall die Kundenzufriedenheit steigern. Auf diese Weise ist es möglich, im Schaden einen „Unique Selling Point“ (USP) zu entwickeln.

Kombination von „Anders-sein“ und Besser-sein“

Um eine strategische Alleinstellung zu erreichen, empfehlen wir die Kombination von „Anders-sein“ und „Besser-sein“. Dies ist aus unserer Sicht vor allem durch die Kombination bestehender Instandsetzungsmethoden und innovativer Ansätze, also der Schaffung von konkretem Mehrwert, sowie dem flexiblen Einsatz von digitalen Lösungen innerhalb der Regulierung möglich.

Grundvoraussetzung hierfür ist Transparenz hinsichtlich der Kundenerwartung, Verständnis bezüglich der Qualität und möglicher Ergänzungsangebote in der Schadenregulierung sowie Übersicht über die Nutzung und Funktionen bestehender bzw. geplanter digitaler Lösungen an der Schnittstelle zum Kunden.

 

Sie möchten Ihre Fragestellungen und Maßnahmen zum Thema Customer Experience im Schadenfall mit uns diskutieren oder sich zu weiteren Ideen austauschen? Kontaktieren Sie uns hierzu gerne jederzeit.

Steinbrück, P. / Zinnhobler, M.