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Kollaboration in der Supply Chain als Schlüssel zur Dekarbonisierung: Nachhaltige Produkte aus nachhaltigen Lieferketten

Nachhaltiges Wirtschaften, das heißt umweltfreundlich, fair und gesetzeskonform, steht im Fokus der Industrie. Grund hierfür sind neben Gesetzen, wie dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), insbesondere steigende Kundenanforderungen. Die Vorteile sind vielseitig: Durch nachhaltiges Wirtschaften lassen sich nicht nur Kosten bei Energie- und Rohstoffausgaben reduzieren, sondern auch Marktpotenziale erschließen. Je nach Industrie spielen die Verbraucher und das Image des Unternehmens eine entscheidende Rolle für die Zukunftsfähigkeit.

Der Handlungsdruck ist groß: In Deutschland verursachte der Industriesektor im Jahr 2021 ca. 24 Prozent der Treibhausgasemissionen. Innerhalb der Industrie sind es vor allem energieintensive Branchen wie Eisen und Stahl (30 Prozent), Raffinerien (19 Prozent) sowie Zement- (17 Prozent) und die Chemieindustrie (14 Prozent). Unternehmen müssen ihre Emissionen ernsthaft in den Griff bekommen. Als nachhaltig wahrgenommene Unternehmen können nach einer bereits im Jahr 2018 durchgeführten Studie der LBBW außerdem sowohl von höheren Margen als auch von einer stärkeren Investorenbasis profitieren.

Klare Umweltziele und kein Greenwashing (mehr) – Transparenzanspruch und Wunsch nach grünen Produkten

Eine Studie vom NewClimate Institute im Jahr 2022 enttarnte die Klimaversprechen und -strategien zahlreicher Unternehmen als unzureichend. Selbst gesetzte Ziele konnten nicht erreicht werden und für die kalkulatorische Reduktion wurden zweifelhafte Zertifikate eingesetzt. Neben den Umweltanforderungen und der globalen Erwärmung sollten auch Sozialstandards nicht außer Acht gelassen werden. Hier macht der Gesetzgeber, zum Beispiel mit dem geplanten europäischen LkSG, eindeutige Vorgaben. Fakt ist: Greenwashing funktioniert nicht mehr. Gesetzgeber und Konsumenten erwarten nachhaltige Produkte aus nachhaltigen Lieferketten.

Die Zulieferer machen den entscheidenden Unterschied

Industrieunternehmen sind bei ihren Bestrebungen in Richtung Dekarbonisierung auf die Zulieferbasis angewiesen. Denn je nach Branche liegen über 80 Prozent der CO2-Emissionen des Endproduktes in der vorgelagerten Supply Chain. Im Gegensatz hierzu ist das Nachhaltigkeits-Know-how oftmals am Ende der Supply Chain bei den namhaften End-Produktherstellern besonders stark ausgeprägt. Dieses Wissen wurde meist über Jahre in der nachhaltigen Gestaltung der eigenen Wertschöpfungsaktivitäten gewonnen. Für den nächsten Schritt sind Industrieunternehmen auf ihre Lieferanten angewiesen, um wirklich CO2-arme Produkte anzubieten.

Lieferantenbewertung und -qualifizierung

Dank pragmatischer Hebel lässt sich Nachhaltigkeit bei Lieferanten steuern, mit positiven Auswirkungen auf den eigenen Gewinn. Nachhaltigkeit sollte hier bewusst in einem gesamtheitlichen ESG-Kontext verstanden werden. Denn auch wenn der Klimawandel global im Fokus steht, sind soziale und Governance-Themen für die Unternehmen genauso wichtig. Neben dem LkSG spiegelt die Normenwelt bereits seit Jahren die Themen Sozialstandards, Menschenrechte (zum Beispiel in der ISO 20400 Nachhaltiger Einkauf) und Corporate Social Responsibility (zum Beispiel ISO 26000) wider.

Dies wirkt sich auf das Lieferantenmanagement aus: Stehen heute noch Qualität, Stabilität, Kosten und Zeit auf dem Prüfstand, rückt nun die Nachhaltigkeit in den Fokus. Insbesondere bei Lieferanten mit einem hohen Wertschöpfungsanteil oder schwerer Substituierbarkeit, ist die Entwicklung erfolgskritisch. Erster Schritt sollte ein partnerschaftlich durchgeführtes Assessment des Status quo sein. Der Rückgriff auf etablierte Normen innerhalb verschiedener Branchen schafft hierbei Vergleichbarkeit und Objektivität.

Energie- und Umweltmanagement – bewährte Ansätze für die Organisation

Energie- und Umweltmanagement (ISO 15001 bzw. ISO 14001) sind keine neuen Ansätze. Die Normen bestehen seit Jahren und sind je nach Industrie unterschiedlich ausgeprägt. Sie geben die richtigen Ansätze auch im Sinne der Dekarbonisierung, denn mit erfolgreichen Prozessen, Standards, Technologien und einer Organisation die Energie- und Umwelt in den Mittelpunkt stellt, ist die Dekarbonisierung vielfach leichter. Daher sind auch Anforderungen aus diesen Bereichen Teil der Lieferantenqualifizierung und Auditierung, um zuletzt auch Handlungspotenziale bei den Lieferanten aufzuzeigen.

CO2-Bilanzierung und Optimierungsmaßnahmen

Eine quantitative Analyse auf Basis einer CO2-Berechnung liefert weitere Erkenntnisse und vor allem sehr spezifische Optimierungspotenziale entlang der Wertschöpfung. Die gewonnene Transparenz der Lieferkette sollte geteilt werden, denn: In Zukunft wird die CO2-Bilanz eines Produktes fester Bestandteil bei Ausschreibungen und Kaufentscheidungen von Kunden sein. Beispielsweise wies der Handelskonzern REWE im Januar 2023 erstmalig neben den normalen Preisen in ausgewählten Supermärkten die CO2-Werte von unterschiedlichen Produkten aus.

Um den CO2-Fußabdruck eines Produktes (Product Carbon Footprint: PCF) korrekt herzuleiten, müssen neben dem Material (zum Beispiel auf Basis der Stückliste) auch der Produktionsprozess sowie umliegende Operations-Prozesse (Logistik, etc.) betrachtet werden. Zudem ist für einen aussagekräftigen PCF immer auch der Company Carbon Footprint (CCF) notwendig. Analog einer Gemeinkosten-Verteilung müssen auch Gemeinemissionen (zum Beispiel Energie zum Kühlen einer Produktionshalle) auf den PCF allokiert werden. Im CCF sind alle Emissionen innerhalb einer definierten Bilanzgrenze integriert, zum Beispiel ein Unternehmen, ein Standort oder auch nur ein einzelnes Werk.

Die CO2-Bilanzierung wird nach Greenhouse Gas Protocol (GHG) oder auch ISO 14064 durchgeführt. So können geeignete Optimierungsmaßnahmen, bspw. in den Bereichen Energiemanagement oder Technologie- und Verfahrensänderungen, durchgeführt werden und der Erfolg wird durch regelmäßige Überprüfung der PCF-Werte messbar und vergleichbar.

Brancheninitiativen nutzen

Nicht jeder Lieferant und Warenkorb rechtfertigt den spezifischen Aufwand eines detaillierten Assessments. Hier können Branchenlösungen den Weg aufzeigen. In verschiedenen Branchen gibt es hier bereits Zusammenschlüsse, wie beispielsweise CatenaX, die im Automotive-Bereich an gemeinsamen PCF-Logiken und Datenmodellen arbeiten. In der Chemieindustrie ist Together for Sustainability (TFS) die gemeinsame Plattform für Lieferantenqualifizierung auch im Rahmen vom LkSG.

Die großen Hebel in der Lieferkette angehen

Nun gilt natürlich: Ein Unternehmen sollte zuerst seine eigenen Emissionen angehen, bevor man Lieferanten mit Nachhaltigkeitsanforderungen beschäftigt. Das mag stimmen, jedoch ist aufgrund der Höhe der Scope-3-Emissionen in vielen Unternehmen der Lieferantenansatz im Sinne der absoluten Reduktion von Emissionen sicherlich genauso sinnvoll. So oder so gilt: Die Methodik der qualitativen und quantitativen Nachhaltigkeitsbewertung lässt sich 1:1 auf das eigene Unternehmen übertragen.

ESG-Transformation braucht Vorlauf

Für langfristigen Erfolg benötigt eine Transformation Vorlauf und einen professionellen Start. Hierzu gehören neben dem quantitativen und qualitativen Assessment zur Bewertung des Status quo auch die Definition und Konkretisierung von Zielen, die Verankerung von Nachhaltigkeit im Unternehmen sowie die Entwicklung eines langfristigen Maßnahmenplans auf Basis der Analyseergebnisse.

In jedem Unternehmensbereich muss ein Umdenken stattfinden, um eine nachhaltige Kultur und entsprechende Mindsets bei den Mitarbeitenden zu realisieren. Dies kann herausfordernd sein und verlangt nach gut strukturiertem Change Management. Eine zentrale Koordination über Unternehmensbereiche ist notwendig, denn Dekarbonisierung bzw. Nachhaltigkeit funktioniert nicht im Silo. Erfolgreiche Dekarbonisierung wird zentral gesteuert und lokal umgesetzt. Für die lokale Umsetzung benötigt es klaren Kompetenzaufbau und -transfer. Oft haben die Unternehmen mit einer Operational-Excellence-Perspektive bereits Expert:innen an Board.

Horváth als Partner für die Dekarbonisierung in der Supply Chain

Wie gehen Sie das Thema Nachhaltigkeit in Ihrer Lieferkette an? Wir helfen Ihnen dabei, das notwendige Fundament für eine erfolgreiche grüne Transformation Ihrer Supply Chain aufzubauen. Mit jahrelanger Erfahrung in den Bereichen Energie- und Umweltmanagement, Operations- und Supply-Chain-Themen sowie Performance, Lean Management und Transformation stehen wir als kompetenter Partner an Ihrer Seite. Mit unserem umfangreichen Netzwerk können wir auch die technologische sowie marktpolitische Seite abdecken und konkrete Lösungen mit Ihnen entwickeln.

Jonas, C. / Nassen, J.