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ESG-Management in der Metall- und Stahlindustrie: Vom reinen Reporting zur ganzheitlichen Unternehmenssteuerung

Mit dem Übereinkommen von Paris zur Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs sind die Länder gefordert, ihre Pläne zur Erfüllung der Klimaziele kontinuierlich anzupassen. In dieser Hinsicht wächst der Druck auf Unternehmen, was sich insbesondere in den stetig steigenden Kosten für CO2-Zertifikate bemerkbar macht.

Auch für Unternehmensentscheider ist das Thema Nachhaltigkeit höchst relevant. Laut unserer CxO-Priorities-Studie 2021 ist der Anteil derer, die es zu ihrer obersten Priorität gemacht haben im Vergleich zum Vorjahr massiv gestiegen. Weitere Umfragen haben allerdings gezeigt, dass nur knapp die Hälfte der befragten Führungskräfte aktuell vom ESG-Management ihrer Organisation überzeugt ist. Dies wirft die Frage auf, welche Herausforderungen diesbezüglich bewältigt werden müssen und wie ein effektives ESG-Management langfristigen Erfolg ermöglichen kann. Insbesondere in der Stahlindustrie müssen die Unternehmen nun handeln, da sie allein für 30 Prozent der industriellen CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich sind.

 

 

Abbildung 1: Dimensionen der Nachhaltigkeit

Angesichts der zunehmenden Anforderungen durch die klimapolitischen Ziele gewinnen ESG-Kriterien immer mehr an Relevanz und werden von Stakeholdern zunehmend zur Risikobewertung herangezogen. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung verstärkt. In diesem Kontext haben in den vergangenen Jahren vor allem Umweltkriterien an Bedeutung gewonnen. Dies hat zur Folge, dass Unternehmen mit guten ESG-Ratings beispielsweise leichteren Zugang zu Kapital erhalten. MSCI schätzt, dass der Unterschied in den Kapitalkosten zwischen den Unternehmen mit dem besten und dem schlechtesten ESG-Rating 39 Basispunkte beträgt.

Infolgedessen sind nachhaltige Unternehmen in der Lage, langfristig bessere finanzielle Ergebnisse zu erzielen. Dies bestätigt eine von der Universität Hamburg durchgeführte Metastudie, die konstatiert, dass eine hohe positive Korrelation zwischen ESG und der finanziellen Leistung eines Unternehmens besteht. In diesem Zusammenhang hat sich gezeigt, dass Unternehmen, die ein proaktives Nachhaltigkeitsmanagement betreiben, sowohl ihren Wert um bis zu 6 Prozent als auch ihre Eigenkapitalrendite um bis zu 18 Prozent steigern konnten.

Unsere Analyse zeigt: ESG-Rating hat Einfluss auf die Eigenkapitalrendite

In unserer Analyse haben wir die Entwicklung der Eigenkapitalrendite für die größten Unternehmen der Stahlindustrie im Zeitraum 2017 bis 2020 verglichen. Dabei haben wir festgestellt, dass sich die Eigenkapitalrendite von Unternehmen mit einem überdurchschnittlichen ESG-Rating im Betrachtungszeitraum besser entwickelte. Der Unterschied in der durchschnittlichen Eigenkapitalrendite zwischen Unternehmen mit einem überdurchschnittlichen ESG-Rating und solchen mit einem unterdurchschnittlichen ESG-Rating lag zwischen 2017 und 2018 bei rund +1,4 Prozent. Betrachtet man den Zeitraum 2019 bis 2020, lag die Differenz sogar bei rund +6,5 Prozent. Wir gehen davon aus, dass das ESG-Rating aufgrund seiner zunehmenden Bedeutung wesentlich dazu beigetragen hat, dass der Unterschied in der Eigenkapitalrendite vor allem in den vergangenen Jahren deutlicher geworden ist.

Abbildung 2: Durchschnittliche Eigenkapitalrendite für Stahlunternehmen unter Berücksichtigung des ESG-Ratings für die Jahre 2017 bis 2020

Die konsequente Berücksichtigung von ESG-Kriterien in der Unternehmenssteuerung eröffnet zahlreiche weitere Potenziale. Ein regelmäßiges ESG-Reporting schafft die notwendige Transparenz, um Chancen und Risiken früh zu erkennen und entsprechend zu handeln. Darüber hinaus ermöglicht eine regelmäßige Berichterstattung in Verbindung mit einem guten ESG-Rating die Stärkung des öffentlichen Vertrauens in das Unternehmen und kann so die externe Wahrnehmung verbessern. Dies wiederum erleichtert beispielsweise den besseren Zugang zu Talenten und eröffnet neue Geschäftsmöglichkeiten.

Welche Herausforderungen können beim ESG-Management auftreten?

In einer von Navex Global in Auftrag gegebenen internationalen Umfrage wurden 1.250 Manager und Führungskräfte im Dezember 2020 zum ESG-Management ihres Unternehmens befragt. Dabei hat die große Mehrheit (81 Prozent) angegeben, dass ihre Firma über ein formelles ESG-Programm verfügt. Lediglich die Hälfte davon gab jedoch an, dass diese die Umweltkriterien gut einhält, während nur 39 bzw. 37 Prozent der Meinung waren, dass ihr Unternehmen die Governance- bzw. Sozialkriterien erfolgreich umsetzt. Dies wirft die Frage auf, welche Anforderungen bei der Umsetzung von ESG-Kriterien bestehen. Im Folgenden werden drei typische Herausforderungen vorgestellt:

  1. Die ESG-Strategie muss in der Geschäftsstrategie verankert sein. Unternehmen, die ihre ESG-Strategie rein auf eine Kommunikationsstrategie ausrichten, laufen Gefahr, dass die Stakeholder das „Greenwashing“ durchschauen.
  2. Die objektive Erfassung, Darstellung sowie das Reporting von Daten und Informationen in Hinblick auf die wichtigsten ESG-Themen ist eine große Herausforderung für Unternehmen. Das Fehlen einer dauerhaften und wirksamen Überwachung der ESG-Leistung in Form von genau definierten KPIs verhindert, dass diese Fortschritte machen.
  3. Die ESG-Strategie und die dabei angesetzten Maßstäbe sollten unternehmensweit gelten. Eine Diskrepanz innerhalb des Unternehmens, die beispielsweise durch unterschiedliche Regionen oder Geschäftsbereiche begründet ist, kann Lücken in den ESG-Programmen hinterlassen und potenzielle Risiken eines uneinheitlichen ESG-Managements innerhalb des Unternehmens bergen. 
     

Effektives ESG-Management zur Erreichung langfristiger Ziele

Wir sind davon überzeugt, dass die Grundlage für ein effektives ESG-Management ein ganzheitlicher Unternehmenssteuerungsansatz ist, der sich an den definierten strategischen ESG-Zielen und Handlungsfeldern ausrichtet. Die Nachhaltigkeitsstrategie sollte auf einer fundierten, unternehmensspezifischen Wesentlichkeitsanalyse beruhen, die auf internen oder externen Analysen sowie auf Experteneinschätzungen aufbaut. Die Schwerpunkte der Nachhaltigkeitsstrategie werden aus den zentralen Nachhaltigkeitsthemen abgeleitet und bilden den Rahmen für die weitere Ausgestaltung. Zur Unterstützung des ESG-Managements wird eine entsprechende Reporting-Lösung benötigt, die (teil-)automatisierte Informationen zur Berichterstattung, Analyse und Steuerung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen bereitstellt. Eine wichtige Säule für die Operationalisierung von ESG-Zielen sind daher KPIs, die für jedes Handlungsfeld definiert und deren Treiber identifiziert werden müssen. Die Verankerung der KPIs in der Organisation in Form von klaren Verantwortungsstrukturen und Entscheidungsprozessen ist eine Voraussetzung für ein effektives Nachhaltigkeits-Reporting sowie Maßnahmen-Controlling. Zudem sollte ein umfassendes Nachhaltigkeitsverständnis vorliegen, das auch einen klaren Bezug zu gesellschaftlichen Herausforderungen hat (ökologisch, sozial, ökonomisch).

Zusammenfassend sind folgende Aspekte für ein erfolgreiches ESG-Management zu berücksichtigen:

  • Es muss ein integrierter Prozess von der Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie bis zur Definition von Maßnahmen und KPIs für Management und Reporting vorliegen.
  • Die Definition klarer Ziele sowie die Ableitung von Zielpfaden und -werten im Einklang mit der Unternehmensstrategie und die Festlegung konkreter KPIs müssen vorhanden sein.
  • Die funktionsübergreifende Integration und Entwicklung von Maßnahmen muss gemeinsam mit den Funktions- und Geschäftsbereichen sichergestellt werden.
  • Nachhaltigkeitsaspekte müssen in das Management-Reporting integriert und benutzerspezifische Darstellungen in Cockpits und Dashboards bereitgestellt werden.
  • Die vierteljährliche Berichtsfrequenz dient zur Kontrolle und entlastet die Berichtsressourcen. IT-gestütztes Datenmanagement und die Gewährleistung der Datensicherheit sind dabei notwendig.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Umsetzung der ESG-Kriterien viele Herausforderungen mit sich bringt. Ein ganzheitlicher Steuerungsansatz kann zu einem erfolgreichen ESG-Management beitragen, das nicht nur finanzielle, sondern auch zahlreiche weitere Möglichkeiten eröffnet und damit langfristig Wettbewerbsvorteile schafft.
 

Haben wir Ihr Interesse geweckt?

Unternehmen in der Metall- und Stahlindustrie können ihre anspruchsvollen Unternehmensziele nur erreichen, wenn sie frühzeitig handeln und eine langfristige Roadmap erarbeiten. Gerne begleiten wir Sie auf diesem Weg.