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Digital Operations: Mindset als Erfolgsfaktor für erfolgreiche digitale Transformation

Nicht der technische oder prozessuale Aufwand ist oftmals das größte Hindernis für den digitalen Wandel. Vielmehr ist es das falsche Mindset, das hierbei zum Misserfolg führt. Banken müssen ihre Mentalität daher ändern, andernfalls werden sie – schneller als man es heute für möglich hält – von neuen Wettbewerbern substituiert.

Zur Verdeutlichung des notwendigen Wandels lohnt sich ein Blick über den Tellerrand in die Automobilindustrie. Dort steht nicht länger Motorentechnik im Vordergrund, sondern dank des weitgehend gleichen E-Antriebs die Convenience des Fahrens und Ladens. Die beiden Branchen lassen sich auch in den aktuellen Top-Themen Gebührenurteil und Dieselskandal vergleichen, da diese das Mindset eines „Weiter wie bisher“ in Bezug auf Markt und Produkt gut zum Ausdruck bringen.

Kostendruck und Innovationsanspruch stellen Banken vor Herausforderungen

Banken befinden sich in einem permanenten Wandel, angetrieben durch sich ändernde Kundenerwartungen und technische Innovationen. Auf der Kostenseite stehen sie nicht erst seit dem Gebührenurteil unter Druck. Im Zeitreihenvergleich von CIR und Zinsertrag wird das Problem deutlich. Auch wenn es im Einzelfall gelingt, können wegbrechende Zinserträge in der Regel nicht durch steigende Gebühreneinnahmen kompensiert werden.

Das im direkten Vergleich gut sichtbare Auseinanderdriften von CIR und Zinsertrag zeigt zudem, dass Banken noch nicht auf die neuen Herausforderungen reagiert haben. Erfolgreiche Beispiele am Markt, wie ING DIBA oder die HSBC mit Trade Republic, sind nur die Ausnahmen der Regel. Die Situation ist nicht neu, wird jedoch täglich brisanter, denn es stehen neue Wettbewerber und Technologien bereit, den Banken ihre Marktanteile abzunehmen. Oftmals gibt es Konkurrenten, die einfach ein bisschen smarter, digitaler und kreativer sind als beispielsweise eine Klarna. Und es gibt die Wettbewerber, die nicht die Wertschöpfung „Banking“ interessiert, sondern die die Convenience ihrer Kunden beim Abschluss ihres Einkaufs steigern möchten. Diese stellen die weitaus gefährlichere Konkurrenz dar, da sie mit den derzeit gebotenen Bankleistungen unzufrieden sind und diese neu denken und entwickeln. Exemplarisch sei hier Ebay mit der Integration von PayPal oder die Abwicklung durch Otto auf dem eigenen Marktplatz zu nennen. Dazu verschärfen Technologien aus dem Umfeld DLT/Blockchain, die Banking ganz neu und innovativ zu unschlagbaren Preisen ermöglichen, die Wettbewerbssituation.

Differenzierung durch Alltagsrelevanz erreichen

Darüber hinaus erschweren neue weitreichende Entscheidungen ebenfalls die Wettbewerbschancen der Banken. So berichten einige Kreditinstitute stolz, nur kostenlose Visa-Karten auszugeben und die EC/Maestro-Karte aus dem Portfolio zu nehmen. Was passiert jedoch, wenn der Kunde nicht mehr im Restaurant bezahlen kann, da dieses vor Ort wegen der hohen Gebühren nur EC/Maestro akzeptiert? Hat er dann kein Bargeld dabei, kann man nur hoffen, dass sich ein Geldautomat in unmittelbarer Nähe befindet. Die Freude über dieses Abendessen erreicht den Nullpunkt und die Bank verliert ihre Alltagsrelevanz. Aus Sicht der GuV ist die Abschaffung der EC/Maestro-Karte sicherlich positiv gewesen, aber letztendlich entscheidet der Kunde, ob diese Idee tatsächlich so gut war. Denn wenn die Bank nicht mehr zum eigenen Leben passt, welchen Sinn macht es dann, diesem Kreditinstitut treu zu bleiben? Alltagsrelevanz ist der Schlüssel, an dem Produkte gemessen werden, die keinen direkten Genuss respektive keine Steigerung des Nutzens liefern. Nutzenvermutung gilt für Konsumartikel oder Unterhaltungsbetriebe, aber nicht für Mittel-zum-Zweck-Güter wie Transport, Kommunikation oder Banking. Hier ist allein die Alltagsrelevanz auschlaggebend.

Mindset als Erfolgshebel

Alltagsrelevanz bedeutet für Banken, dass sie ihre Produkte in die Customer Journey des Kunden integrieren müssen. Zudem müssen sie die eigenen Prozesse und technischen Möglichkeiten danach ausrichten.

Die Schwierigkeit liegt dabei nicht, wie möglicherweise vermutet, in der tatsächlichen Umsetzungsfähigkeit, sondern im Wollen – im Mindset der Bank:

  • Das betrifft die kundenfreundliche Ausrichtung der Regulatorik von KYC/Onboarding/WpHG-Fragenkatalog oder Regelinterpretationen, die zu ersten Kreditzusagen vor der genauen Prüfung von Kunde und Objekt führt. Die Anforderungen werden stets erfüllt, aber die Gestaltungsfreiheit wird weiter definiert (Smart Compliance).
  • Außerdem betrifft das die Einbindung moderner, smarter Features und Funktionen in die Customer Journey. Das bedingt einen Wechsel des Selbstverständnisses von Bank-IT und Operations hin zu einem funktionsorientierten Sourcing-Ansatz, bei dem schnell Drittanbieter mit den aktuell gesuchten Services wie die Spieler im Fußball-Match je nach Spielstand ein- und ausgewechselt werden (Funktionssourcing).
  • Das betrifft aber auch die Entscheidung, Kunden und Produkte strikt nach deren Digitalisierbarkeit zu bewerten und nur die Produkte standardisiert anzubieten, die eine automatische Abwicklung erlauben. Hierbei werden Kunden aus dem Fokus fallen, die nicht mehr in diesen Standard passen. Man kann diese Kunden dann besonders betreuen. Das passt allerdings nicht mehr in die Strategie – und ob es sich überhaupt kostendeckend anbieten lässt, steht offen (Digitalstrategie).

„Machen ist wie wollen – nur krasser“

In jeder Bank gibt es mehrere ambitionierte Digitalisierungsvorhaben, jedoch scheitern die meisten, noch bevor sie den Kunden erreichen. Für den Großteil der Organisationen stellt in diesem Zusammenhang nicht der Markt oder der Kunde die größte Herausforderung dar, sondern die Bank selbst, namentlich der Vertrieb, die IT, Compliance und all die Einheiten, die alte Verhaltensweisen, Strukturen und Prozesse aufgeben müssen, um erfolgreich zu sein. Viele dringend notwendige Projekte zum Thema „schlanke Prozesse“ oder „neue IT“ scheitern, weil schon in der Umsetzung die Denkmuster eines „Weiter wie bisher“ enorme Wirkung entfalten.

Nicht nur sollen neue Systeme, Prozesse oder Produkte alle bisherigen Anforderungen erfüllen, es sollen darüber hinaus zusätzliche Ideen dazukommen. Dabei wäre ein MVP-Ansatz (Minimum Viable Product) mit echter Wechselwirkung zum Kunden der richtige – erfolgreiche – Weg.  Aber die Bankbranche ist nicht allein mit diesem Problem. Auch die bereits erwähnte Automobilindustrie musste sich (und muss sich noch) komplett wandeln, um weiterhin erfolgreich zu sein. Dort haben sich die Kernelemente erfolgreicher Produkte massiv verschoben und die Hersteller, die das erkannt haben, verzeichnen bereits jetzt die ersten Erfolge. Diese positiven Entwicklungen sollten ausreichen, um auch die Banken zur Änderungsbereitschaft zu motivieren.

Angerer, C.