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Nachhaltigkeit als strategisches Differenzierungsmerkmal für Versicherungen

Das Thema Nachhaltigkeit nimmt immer mehr an Fahrt auf. Die aktuelle Häufung von Wetterextremen, Klimaprotesten und deren mediale Präsenz hat das Bewusstsein der breiten Bevölkerung für dieses Thema gestärkt und den Handlungsdruck auf die Politik erhöht. Dies hat auch Auswirkungen auf die Versicherungswirtschaft.

In der Folge beschäftigen sich zum Beispiel (potenzielle) Kunden noch stärker mit der Nachhaltigkeit eines Versicherers in all ihren Facetten, etwa in Bezug auf Produkte und deren Kapitalanlage.

"Meine Versicherung soll mir nicht nur finanzielle Sicherheit im Alter oder im Schadensfall bieten. Sie soll auch langfristig zu einer lebenswerten und gesunden Umwelt beitragen und den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft fördern."
(Versicherungskunde)

Gleichzeitig arbeitet die Politik bereits am rechtlichen Rahmen für eine nachhaltige Wirtschaft. Damit gerät das Thema an breiter Front stärker in den Fokus der Versicherungen, die sich mit den Erwartungshaltungen unterschiedlicher Stakeholder konfrontiert sehen.

"Ich möchte für ein Unternehmen arbeiten, welches Verantwortung für unsere Umwelt und unser soziales Miteinander übernimmt."
(Mitarbeiter)

"In unserer marktordnenden Funktion werden wir den regulatorischen Rahmen für Nachhaltigkeit weiter prinzipienbasiert ausgestalten. Versicherungen sollen sich konkrete Gedanken zu einer individuellen Umsetzung machen und sich in Zukunft daran messen lassen."
(Aufsicht)

"Die Einhaltung von ESG-Kriterien hat einen positiven Einfluss auf die Unternehmensperformance. Bei meinen Investitionsentscheidungen werde ich hierauf zukünftig verstärkt achten." 
(Anleger)

Vor diesem Hintergrund ist es wenig erstaunlich, dass erste Versicherungen das Thema Nachhaltigkeit bereits für sich entdeckt und für ihre Positionierung genutzt haben. Durch eine klare Kommunikation der Unternehmenswerte nach innen und außen kann die eigene Marke positiv aufgeladen werden. In der Folge können Mitarbeiter stärker gebunden, Bestandskunden gehalten und Neukunden angezogen werden. Versicherungen sollten sich daher konkrete Gedanken zu einer individuellen Umsetzung machen.

Wie kann das Thema Nachhaltigkeit betrachtet werden?

Wir haben einen Lösungsansatz entwickelt, wie Versicherer sich strukturiert mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen und proaktiv damit umgehen können. Hierbei war uns wichtig, keinen starren Ansatz zu entwickeln, sondern den Findungsprozess mit richtungsweisenden Leitfragen zu unterstützen.

Zur groben Strukturierung der möglichen Operationalisierung haben wir das Thema ausgehend von einer Nachhaltigkeitsstrategie in eine strategische und in eine operative Steuerung unterteilt. Im Zuge dieser sind u.a. konkrete Nachhaltigkeitsziele im Anreizsystem zu verankern und geeignete KPIs in das Management Reporting zu überführen. Darüber hinaus haben wir Themenfelder unternehmensinterner Diskussionen identifiziert. Beispiele hierfür sind potenzielle Großschäden durch den Klimawandel oder die Umsetzung von Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage.

Abb. 1: Von einer Nachhaltigkeitsstrategie ausgehende strategische und operative Steuerung

Aufgrund der Vielschichtigkeit sind im Kern folgende Fragen beim Auf- und Umsetzen der Nachhaltigkeitsstrategie zu klären:

  1. Welche Elemente einer Nachhaltigkeitsstrategie schaffen echten Mehrwert?
  2. Welche zusätzlichen Kennzahlen sind in der Unternehmenssteuerung zu berücksichtigen und wie können diese in das Reporting integriert werden?
  3. Inwieweit sind bestehende Prozesse und die Organisation zu erweitern, um Nachhaltigkeit wirksam zu verankern?
  4. Welche Daten und IT sind notwendig?

Nachdem wir im ersten Schritt das Thema Nachhaltigkeit aus einer strategischen Sicht betrachtet haben, zeigen wir nun auf, wie eine entsprechende Nachhaltigkeitsstrategie einen echten Mehrwert schaffen kann.

Wie kann eine gute Nachhaltigkeitsstrategie von Versicherern aussehen?

Bei der Festlegung der Nachhaltigkeitsstrategie steht unbeachtet der Emotionalität des Themas und des sicherlich heterogenen Ambitionsniveaus im eigenen Haus aus unserer Sicht folgende Frage zu Beginn: Für wen mache ich das? Denn die Erwartungen der Stakeholder sind durchaus unterschiedlich. Eine erfolgreiche Nachhaltigkeitsstrategie zeichnet sich daher durch einen klaren Fokus auf bestimmte Stakeholder aus, die die eigenen Bemühungen honorieren und damit einen konkreten Mehrwert für das Unternehmen liefern.

Dies ermöglicht zum einen eine deutliche Differenzierung und Kommunikation nach innen und außen. Zum anderen erleichtert es die Definition einer Nachhaltigkeitsstrategie, zumal sich die Stakeholder durchaus deutlich in der Gewichtung unterscheiden können. So könnten zum Beispiel aus Kunden- und Mitarbeitersicht ökologische Kriterien entscheidend sein und Governance-Aspekte hingegen eher Hygienefaktoren darstellen. Aus Investorensicht wiederum könnte das Thema Governance eine übergeordnete Rolle spielen, während die Aufsicht keine Gewichtung vornimmt.

Abb. 2: Gewichtung der ESG-Kriterien nach Stakeholdern

Mit Blick auf spezifische Stakeholder lassen sich beispielhaft folgende Leitfragen für die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie beantworten:

  • Welche ökologischen und sozialen Ziele sind den spezifischen Stakeholdern wichtig und für welche stehen wir als Versicherer ein?
  • Welche der 17 von der UN definierten Sustainable Development Goals liegen den spezifischen Stakeholdern und damit uns besonders am Herzen?
  • Was bedeutet eine gute Unternehmensführung aus unserer Sicht und der unserer Stakeholder?
  • Welche konkreten (ambitionierten) Nachhaltigkeitsziele setzen wir uns zum Beispiel für unsere Kapitalanlage und unsere Produkte?
  • Inwieweit stimmen diese Ziele mit denen der spezifischen Stakeholder und der internationalen Gemeinschaft überein?
  • Was treibt uns und unsere Stakeholder an?

Antworten auf diese und weitere Leitfragen geben wertvolle Anhaltspunkte für die eigenen Unternehmenswerte, die Vision und die Mission sowie den Purpose. Diese Überzeugungen, Motivationsgründe und Ambitionen können daher als Basis für eine erfolgreiche Nachhaltigkeitsstrategie dienen.

Haben wir Ihr Interesse geweckt?

Gerne diskutieren wir unsere Grundüberlegung zum Einstieg in die Nachhaltigkeitsstrategie mit Ihnen. Falls Sie diese bereits entwickelt haben, lassen sie uns gemeinsam Ansätze für eine Operationalisierung ausarbeiten. Wertvolle Insights dazu liefern wir auch in unserem nächsten Artikel. Sprechen Sie uns gerne an!

Dr. Briem, C. / Dr. Mägebier, A.