Strategien zur Unschlagbarkeit

Die
Macht
der
Strategie

Die unangefochtene Bedeutung guter Strategien ist ins Wanken geraten. Immer häufiger gilt Strategiearbeit sogar als Hindernis für zukunftsgerichtete, agile Organisationen. Dabei brauchen Unternehmen gerade in Zeiten des Umbruchs eine überzeugende Antwort auf die Frage, wie sie die Zukunft anpacken wollen. Eine gute Strategie liefert hierfür den Bauplan und legt das Fundament für die Unschlagbarkeit.

Zerschmettert liegt die Strategie am Boden. Im bemerkenswerten Buch „Reinventing Organizations“ des belgischen Wirtschaftsphilosophen Frederic Laloux bietet die Königsdisziplin des Managements ein jammervolles Bild. Es ist ein Stich ins Herz eines jeden Strategen. Gerade eben stand sie, dargestellt als Riesenroboter in Menschengestalt, noch aufrecht. Ganz oben, auf einer Art Aussichtsplattform, hielten Manager Ausschau nach der richtigen Richtung. Hatten sie die Zukunft – den Nordstern – im Blick, gaben sie Kommandos ins Innere der Maschine, wo unzählige Mitarbeiter schufteten: „Rechtsherum!“ „Schneller!“ „Genauer!“

Nun aber ist die Strategie in tausend Stücke zerbrochen, überwuchert von mächtigen Bäumen. An den Ästen klettern Manager und Mitarbeiter gemeinsam nach oben, natürlich weiterhin in Richtung des anvisierten Nordsterns. Frederic Laloux meint dazu: „Agile Organisationen entwickeln sich kraftvoll, ohne einen zentralen Plan zu haben. Wäre es nicht viel wirkungsvoller, wenn eine Organisation ständig auf neue Gelegenheiten achten und sich anpassen würde, anstatt alle paar Jahre eine große Strategie zu entwerfen und sich in der Zwischenzeit daran zu halten?“

SEHNSUCHT NACH ERNEUERUNG

Das Zeitalter der Digitalisierung, das einerseits ganz neue technische Möglichkeiten bietet und andererseits ganz neue Wettbewerber auf den Plan gerufen hat, stellt Manager vor die Entscheidung, wie sie ihre Unternehmen weiterentwickeln wollen. Organisationen müssen sich kontinuierlich verändern, um Bestand zu haben. Dabei stehen bestehende Führungs- und Organisationslogiken zur Disposition. Auch die Strategiearbeit selbst wird hinterfragt – zumal sie oftmals zu einem ritualisierten Prozess verkommen ist. Es stellt sich die Frage, ob für die heutige Zeit nicht auch eine andere Art der Strategiearbeit entworfen werden müsste. Braucht es eine, die schneller, flexibler, kreativer funktioniert, die smart und agil ist?

In unserer schnelllebigen Welt erscheint ein konsistentes Verhaltensmuster altmodisch, gerade angesichts der vielen jungen Wilden am Markt, die so manches größere Unternehmen das Fürchten lehren. Die wenigsten dieser disruptiven Start-ups haben bereits von Anfang an eine feste Vorstellung davon, wie sie ihren Erfolg erzielen werden. Vielmehr agieren sie nach der Trial-and-Error-Methode und erlauben sich ein kreatives Ausprobieren. Etablierte Unternehmen sehen sich gezwungen, das Tempo ihrer agilen Angreifer zu übernehmen. Sie fragen sich, ob bei steigender Geschwindigkeit überhaupt noch ein detaillierter Plan notwendig ist.

Vorwärtsgerichtete Unternehmen benötigen einen
Bauplan für die Zukunft, der als gedankliches Gerüst die
ganze Organisation zu stimmigen Handlungen anleitet.

DURCHWURSTELN IST KEINE STRATEGIE

Natürlich muss zu Beginn einer unternehmerischen Tätigkeit nicht zwingend ein ausgearbeiteter Bauplan für die Zukunft vorliegen. Irrungen und Wirrungen, bis das richtige Vorgehen gefunden ist, gehören gerade bei jungen Firmen und neuen Angeboten dazu. Und natürlich sollten auch etablierte Unternehmen neue Erkenntnisse dazu nutzen, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln, und nicht statisch den immer gleichen Vorgehensweisen folgen.

Wer sich der Zukunft seines Unternehmens verpflichtet fühlt, darf aber nicht auf erfolgreiches Durchwursteln vertrauen. Die Überlebenschance von Start-ups liegt bei höchstens 1:10. Für verantwortliches Management in etablierten Unternehmen kann eine 10-prozentige Erfolgswahrscheinlichkeit keine Maßgabe sein.

DEN ERFOLG VORAUSDENKEN

Laurence Fink, CEO des weltweit größten unabhängigen Vermögensverwalters BlackRock, mahnte bereits 2015 eindringlich klare Strategien an. In einem Brief an die Vorstandsvorsitzenden der größten börsennotierten Unternehmen schrieb er: „Es ist wichtig zu verstehen, dass die Sorgfalts- und Loyalitätspflicht der Unternehmensführer der langfristig erfolgreichen Entwicklung des Unternehmens gilt. [Am wichtigsten ist dafür] vor allem, dass sie ihre Strategie für ein nachhaltiges langfristiges Wachstum klar und effektiv formulieren.“

Allen Unkenrufen zum Trotz: Grundsätzlich ist Strategie – richtig angewandt – gerade in disruptiven Zeiten weiterhin die Königsdisziplin, um das Unternehmen unschlagbar zu machen. Natürlich sind monolithische Strategien, die mit planwirtschaftlicher Genauigkeit aus den Daten der Vergangenheit ausgearbeitet und verfolgt werden, nicht mehr zeitgemäß. Dennoch brauchen vorwärtsgerichtete Unternehmen weiterhin eine überzeugende Antwort auf die Frage, wie sie die Zukunft anpacken wollen. In anderen Worten: Ab einem bestimmten Punkt brauchen Unternehmen einen klaren Bauplan für die Zukunft, wenn sie erfolgreich wachsen wollen. Einen Bauplan, der als gedankliches Gerüst die ganze Organisation zu stimmigen Handlungen anleitet.

Die Strategie ist ein solcher Plan und damit die Grundlage, auf der ein Unternehmen seinen Weg zum langfristigen Erfolg geistig vorwegnimmt. Entsprechend dieser Bedeutung gilt es, auch die Strategiearbeit auszurichten: Sie sollte ein strukturierter Denk-, Entscheidungs- und Kommunikationsprozess sein, um Kräfte zu bündeln, die Zukunft in den Blick zu nehmen und das Unternehmen auf Angriff zu schalten.

AGILITÄT IM INTEGRIERTEN STRATEGIEPROZESS

Doch wie sieht Strategiearbeit aus, die zu überzeugenden Inhalten führt, aber auch heutigen Anforderungen an Kundenorientierung, Geschwindigkeit, Teilhabe und Anpassungsfähigkeit gerecht wird? Die Antwort darauf liefert der integrierte Strategieprozess. Sein Fokus liegt darauf, das Leitbild, das Geschäftsmodell und die Umsetzungskraft eines Unternehmens auszugestalten. Diese drei Aspekte sind für eine gute Strategie zentral. Das Leitbild beantwortet die Frage, warum sich die Organisation in eine bestimmte Richtung entwickeln will. Das Geschäftsmodell legt fest, wie sie anders werden kann als ihre Wettbewerber, und die Umsetzungskraft zielt darauf ab, wie sie besser wird. Bauen diese drei Komponenten marktgerecht aufeinander auf, ist die Grundlage zur Unschlagbarkeit gelegt.

Jedes Unternehmen sollte bestrebt sein, sich von seinen Wettbewerbern positiv abzuheben – sei es durch einen zeitgerechten Auftrag, durch konzeptionelle Merkmale, die das „Anderssein“ bestimmen, oder durch herausragende Umsetzung, das „Bessersein“. Überraschenderweise treffen viele Organisationen in ihrem Strategieprozess allerdings nicht die Unterscheidung zwischen „anders werden“ und „besser werden“. Im schlimmsten Fall erarbeiten sie lediglich eine SWOT-Analyse, auf deren Basis sie ein strategisches Maßnahmenprogramm erstellen. Wir nennen diese Abkürzung einen „strategischen Kurzschluss“, da man sich auf diese Weise weder mit dem Leitbild noch dem Geschäftsmodell oder dem Zielsystem ausreichend befasst. Ergebnis ist in aller Regel ein reines „Schwächenbehebungsprogramm“ unter dem Deckmäntelchen der Strategie.

Das „Anderssein“ und das „Bessersein“
strikt auseinanderzuhalten, ist
für die Strategiearbeit entscheidend.

„ANDERSSEIN“ UND „BESSERSEIN“ STRIKT TRENNEN

Das „Anderssein“ und das „Bessersein“ strikt auseinanderzuhalten, ist für die Strategiearbeit entscheidend. Dies mag auf den ersten Blick überraschen, denn aus Sicht des Marktes verschwimmen beide Merkmale miteinander. Für Kunden sind sie Bestandteile eines ganzheitlichen Leistungspakets, das sie anderen Leistungspaketen gegenüber bevorzugen oder nicht.

Aus interner Unternehmenssicht sind „Anderssein“ und „Bessersein“ allerdings zwei völlig verschiedene Differenzierungsfaktoren. Sie werfen jeweils grundsätzlich unterschiedliche Fragen an die Unternehmenssteuerung auf: Wer „anders“ werden will, muss die Brillanz, die Weitsicht und den Mut weniger Einzelner fördern, um die Räume zu finden, die Wettbewerber noch nicht besetzt haben. Dazu gehört die Grundeinstellung, dass die Wesensmerkmale der heutigen Geschäftslogik (Geschäftsmodell) nie als unverrückbar anzusehen sind, etwa in Bezug auf Produkte, Kunden, Vertriebswege. Wer „besser“ werden will, muss dagegen die gesamte Organisation aktivieren, da nur im Zusammenspiel aller Kräfte außergewöhnliche Leistungen zum Beispiel in Bezug auf Qualität, Umsetzungsgeschwindigkeit, Serviceorientierung oder Kosten möglich sind.

Richtig angewandt ist die Strategie gerade in
disruptiven Zeiten die Königsdisziplin, um das
Unternehmen unschlagbar zu machen.

DIE ZUKUNFT GEHÖRT DEN MARKTMEISTERN

Der Fähigkeit, auf der Grundlage eines überzeugenden Leitbildes kontinuierlich „anders“ und „besser“ zu werden, haben wir einen eigenen Namen gegeben: „Marktmeister“ sind jene Unternehmen, die in ihrer Branche lange und sehr erfolgreich überleben können. Das sind nicht unbedingt die größten oder die coolsten oder die ausgefeiltesten Unternehmen, sondern jene, die in der Gesamtschau Lösungen gefunden haben, die sie auf ihrem Spielfeld anders und besser machen. Unternehmen, die nie mit dem Status quo zufrieden sind. Die sich ständig weiterentwickeln wollen. Denen die Arroganz des Erfolges fremd ist. Die Strategiearbeit ernst nehmen. Und so unschlagbar sind.

Weitere Impulse unter www.horvath-partners.com/touchdown-strategie

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