Interview mit Doris Krüger, Lufthansa

„Ausprobieren, lernen, flexibel bleiben“

In ihrem internen Innovation Accelerator überführt die Lufthansa Gruppe Ideen von Mitarbeitern in marktrelevante Produkte und Services. Wie das Programm das interne Potenzial in erfolgreiche Bahnen lenkt, erläutert Doris Krüger, Senior Director Future Innovation Strategy und Mitglied im Aufsichtsrat bei der Deutschen Lufthansa AG, im Interview.

WAS WAR DER ANLASS FÜR DIE LUFTHANSA GRUPPE, EINEN ACCELERATOR AUFZUBAUEN?

KRÜGER /  Wir haben das Ziel, mit der Lufthansa Gruppe als komplexer Organisation einen kulturellen Wandel hin zu einem agilen und innovativen Unternehmen zu vollziehen. Daher wollten wir ergänzend zu unserem Innovation Hub in Berlin, der Innovationschancen außerhalb der Gruppe im Blick hat, ein zusätzliches Angebot schaffen, das die Innovationskraft unserer Mitarbeiter mobilisiert. Nachdem wir geschäftsbereichsübergreifend Zukunftsszenarien erarbeitet, die Collaboration-Plattform „Our Innovation Universe“ aufgesetzt und einen Innovation Fund zur Finanzierung installiert hatten, war ein Innovation Accelerator hierfür der nächste logische Schritt.

WIE KÖNNEN SICH MITARBEITER UM EINEN PLATZ IM ACCELERATOR BEWERBEN?

KRÜGER / Das geht ganz einfach mit einer kurzen Beschreibung der Projektidee. Ein Managementteam entscheidet darüber, ob die Teilnahme am Accelerator-Programm sinnvoll ist und das Thema beschleunigen kann. Die Bewerber können direkt aus der Linienorganisation kommen. Aber auch Projekte, die über unseren parallel laufenden „Innovation Fund“ gefördert werden, haben Chancen, für den Accelerator akzeptiert zu werden.

WAS GENAU IST DER „INNOVATION FUND“?

KRÜGER / Einmal im Monat laden wir interne Teams ein, sich mit einem Projekt in einer zehnminütigen Pitch-Präsentation um Mittel bis max. 500.000 Euro Startkapital zu bewerben. Das Entscheidergremium, das sogenannte Innovation Fund Board, besteht aus Vertretern der einzelnen Geschäftsfelder und einem Vorstand. Um Mittel bewerben sich hier Absolventen des Accelerator-Programms, auch – quasi vice versa – Teams, die als Zwischenschritt vor Projektdurchführung das Angebot für eine Teilnahme im Accelerator erhalten.

WIE FUNKTIONIERT DER ACCELERATOR?

KRÜGER / Er folgt den Prinzipien des Design Thinking und der Lean-Start-up-Methode, bei denen es darum geht, eine Geschäftsidee schnellstmöglich auf den Markt zu bringen und dabei in der weiteren Entwicklung zügig das Feedback der Kunden zu berücksichtigen. Die Teilnehmer im Accelerator durchlaufen innerhalb von drei Monaten vier Module, die jeweils drei bis fünf Tage dauern. Somit ist eine Teilnahme parallel zum Tagesgeschäft möglich. Im Modul 1 werden Kundenbedürfnisse identifiziert und validiert. Modul 2 steht im Zeichen der kreativen Suche nach dem optimalen Produkt- oder Servicedesign mit Minimalanforderungen – wir sprechen vom MVP, dem „Minimum Viable Product“ – und dem Markttest desselben mittels Fokusgruppen. Im dritten Modul lernen die Teilnehmer, wie sie ihr Geschäftsmodell nachhaltig aufbauen und mittels „Pitch Deck“ erfolgreich „verkaufen“. Und sollte es sich um eine Innovationsidee für den externen Markt handeln, wird im Modul 4 die richtige Markteinführungsstrategie einschließlich Pricing, Vertrieb und Marketing erarbeitet.

MITTLERWEILE HABEN MEHR ALS 20 TEAMS DER LUFTHANSA GRUPPE DEN ACCELERATOR DURCHLAUFEN. WIE KOMMT ER BEI DEN MITARBEITERN AN?

KRÜGER / Unheimlich gut! Die Teilnehmer schätzen vor allem die professionelle Begleitung durch erfahrene Berater und Coaches sowie die für viele Mitarbeiter völlig neue Art des Arbeitens im agilen Modus – zusammen mit Kunden. Unsere Mitarbeiter erfahren eine große Wertschätzung ihrer Ideen seitens des Arbeitgebers. Zudem lernen sie quasi als Nebeneffekt viele neue Werkzeuge und Denkansätze kennen.

WAS MACHT DEN ERFOLG DES ACCELERATORS AUS?

KRÜGER / Ob Flugbegleiter, Techniker oder Vertriebsmitarbeiter – ich sehe Menschen aus allen Bereichen begeistert an Ideen arbeiten, die uns als Lufthansa Gruppe neue Geschäftsfelder erschließen oder Kosten senken. Seit dem Start des Accelerators Anfang 2015 können wir bereits mehrere erfolgreiche Markteinführungen vorweisen, etwa bei Lufthansa Cargo, Austrian Airlines und Miles & More. Hinzu kommen die Vorteile von parallel laufenden Teams: Wir nutzen den Accelerator nur dann, wenn wir mindestens drei Ideen gleichzeitig an den Start schicken können. So sparen wir Kosten für den Aufbau und die Bereitstellung eines kontinuierlichen „Inhouse-Accelerators“ und profitieren zusätzlich von den Erfahrungen und Inspirationen des externen Partners.

WAS RATEN SIE UNTERNEHMEN, DIE EINEN ACCELERATOR INSTALLIEREN MÖCHTEN?

KRÜGER /  Das lässt sich auf eine einfache Formel bringen: mutig und auch mal mit Risiko ausprobieren, immer wieder neu lernen, Transformation zulassen und flexibel bleiben. Disruption, die wir insbesondere als Folge der Digitalisierung erleben, wird jede Branche nachhaltig verändern. Da niemand die Zukunft wirklich kennt, müssen wir die notwendigen Kompetenzen und Strukturen aufbauen, um rasch auf Chancen und Risiken reagieren zu können. Ein Accelerator ist ein wichtiger Baustein zur Beschleunigung und Risikominimierung im Innovationsgeschehen und aktiviert die wichtigste Ressource, die wir in unseren Unternehmen zur Verfügung haben: die Menschen.

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