Interview mit Werner Stegmüller, KSB

„Entmystifizierung
von Big Data“

Die KSB AG, ein weltweit tätiger Hersteller von Pumpen, Armaturen und zugehörigen Serviceleistungen, hat mit Horváth & Partners ein digitales Modell entwickelt, um den Auftragseingang vollautomatisiert zu prognostizieren. Werner Stegmüller, Mitglied des Vorstands von KSB, erläutert im Interview die Entwicklung und die Ergebnisse des Digital Forecast.

WELCHE ZIELE STANDEN BEIM PROJEKT „DIGITALER FORECAST AUFTRAGSEINGANG“ IM VORDERGRUND?

STEGMÜLLER / KSB beschäftigt sich schon seit Längerem mit der Digitalisierung von Unternehmensprozessen und Themen wie Big Data Analytics oder Industrie 4.0. Für uns ist es allerdings essenziell, ein umfassendes Verständnis für diese Themen bei unseren Mitarbeitern zu entwickeln. Das erreichen wir durch konkrete Lösungen, die den praktischen Nutzen für KSB klar herausstellen. Das Projekt „Digitaler Forecast Auftragseingang (AE)“ ist für KSB ein Einstieg in Big-Data-Analysen. Mit Hilfe eines Piloten wollten wir ihren Nutzen verdeutlichen sowie digitale Trends greifbar machen und vor allem praktisches Know-how aufbauen. Dies sollte auch zu einer gewissen Entmystifizierung des Begriffs „Big Data“ beitragen.

WELCHE ROLLE SPIELT DIE INTERNE ÜBERZEUGUNGSARBEIT BEI SOLCHEN PROJEKTEN?

STEGMÜLLER / Um eine Big-Data-Anwendung erfolgreich einzuführen und operative Prozesse nachhaltig zu verändern, ist die Unterstützung der Fachbereiche absolut entscheidend. Erfolgsgeschichten wecken leichter Begeisterung als rein abstrakte Konzepte. Typische Aussagen in diesem Zusammenhang lauten etwa so: „Zeig mir, wie der Algorithmus die Auftragswahrscheinlichkeit meines Projektangebots von gestern gerechnet hätte, und ich beginne, dir und dem Algorithmus zu vertrauen.“ Den Beweis wollen wir mit praxiserprobten Lösungen antreten.

WIE SIND SIE IM PROJEKT VORGEGANGEN, UM ZÜGIG ERGEBNISSE ZU ERZIELEN?

STEGMÜLLER / Für eine agile Projektarbeit haben wir ein kleines, schlagkräftiges Team mit Fachkompetenz aus Sales und Controlling zusammengestellt. Zwischenergebnisse wurden mehrfach zurückgespielt und gleichzeitig dazu genutzt, unser CRM-System zu optimieren. Zudem haben wir bewusst auf eine digitale Prognose des gesamten Auftragseingangs verzichtet und den weitaus konkreteren Ansatz einer modellbasierten Wahrscheinlichkeitsermittlung verfolgt, auch um eine schnellere produktive Nutzung des Modells zu ermöglichen.

AUF WELCHE DIGITALISIERUNGSPROJEKTE KONNTE KSB DABEI AUFBAUEN?

STEGMÜLLER / Wir knüpfen mit dem Forecasting-Modell an frühere Automatisierungsprojekte bei Vertriebsprozessen an. KSB nutzt im Vertrieb bereits seit 25 Jahren Konfiguratoren, um Pumpen IT-gestützt an die individuellen Bedürfnisse der Kunden anzupassen. Um kundenspezifische Produkte in Losgröße 1 automatisiert produzieren zu können, kommen Vertriebs- und Fertigungskonfiguratoren zum Einsatz.

WIE SIND SIE BEI DER ENTWICKLUNG DES PILOTEN VORGEGANGEN?

STEGMÜLLER / Zunächst haben wir die Rahmenbedingungen des „Digital AE-Forecast“ analysiert und den Umfang des Showcase definiert. Dann wurden die Algorithmen auf Basis eines Tree-Ensemble-Modells aufgebaut und getestet. Die Entscheidungsbaum- Methodik dieses Algorithmus hat unter anderem den Vorteil, dass viele Hyperparameter für die individuelle Anpassung des Modells genutzt werden können. Die Datenbasis für den Showcase bildeten die im CRM-System gespeicherten Opportunities sowie die im ERP-System hinterlegten historischen Datensätze zu Auftragseingängen. Ziel war es, zu jeder Verkaufschance die Wahrscheinlichkeit des Auftragseingangs zu prognostizieren.

WELCHES SIND DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE DES PROJEKTS?

STEGMÜLLER / Unser Prognosemodell hat die Wahrscheinlichkeit von Auftragseingängen deutlich genauer vorhergesagt als die jeweiligen Verkäufer. Mit Hilfe des Algorithmus verbesserte sich die Trefferquote von 63 auf 79 Prozent. Interessant war, dass das digitale Modell die Wahrscheinlichkeit von Aufträgen exakter prognostizierte, unabhängig davon, ob dafür Daten zu Projekten, Standardproduktgeschäften oder Serviceleistungen zur Verfügung gestellt wurden.

WIE SEHEN NUN DIE NÄCHSTEN SCHRITTE AUS?

STEGMÜLLER / In einer Ausbaustufe werden wir das Modell in Zusammenarbeit mit dem Steering Lab von Horváth & Partners in Richtung integrierter, rollierender Prognosen des Auftragseingangs weiterentwickeln. Ein vollständiges Forecasting-Modell muss stärker nach unterschiedlichen Planungsdimensionen differenziert werden, zum Beispiel nach Vertriebskanälen. Sollte die Leistungsfähigkeit dieses vollständig automatisierten Forecasts mit dem des manuellen Forecasting vergleichbar sein, könnten wir die Effizienz unserer Sales- und Controllingprozesse deutlich steigern und die Kapazitäten in der Konstruktion sowie in der Fertigung besser steuern. Mit den Erkenntnissen aus dem Showcase können wir zusätzliche Anwendungsfälle identifizieren und das Modell entsprechend weiterentwickeln.

Weitere Artikel

Digital Sales Forecast

Digitale Revolution im Vertrieb

Zum Artikel

Quantitative Demand Management

Die Neuentdeckung des Kunden

Zum Artikel