Interview mit Dr. Markus Spitz, Thüga Energie

„Digital andere Wege gehen"

Staatliche Regulierung, wachsender Wettbewerb, sinkende Margen – in diesem Spannungsfeld müssen sich viele Energieversorger behaupten. Möglichkeiten, diesen Herausforderungen zu begegnen, bietet die Digitalisierung. So hat die Thüga Energie GmbH in Singen mit digitalen Prozessen die Kommunikation mit ihren Kunden optimiert und neue Geschäftsmodelle gestaltet. Im Gespräch erläutert Geschäftsführer Dr. Markus Spitz die Chancen für den Vertrieb.

WO SEHEN SIE DIE GROSSEN HERAUSFORDERUNGEN IM ENERGIESEKTOR?

SPITZ / In der Tat ist die Energieversorgung im Umbruch, die Kunden wechseln intensiver, die Kundenbindung sinkt. Durch Onlinehändler wie Amazon gewöhnen sich unsere Kunden an einfache und geführte Onlineprozesse – die direkte Kommunikation mit uns als Versorger verringert sich. Daher spielen Digitalisierungs- und Vernetzungsprozesse im Energiesektor eine immer größere Rolle. Mit dem neuen Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) werden weitere Prozesse in Gang kommen, wie der Einbau von Smart Metern und der Aufbau von intelligenten Stromnetzen. In der Thüga-Gruppe erarbeiten wir hierzu Konzepte, die wir unseren Kunden sofort anbieten können, sobald die gesetzlichen Rahmenbedingungen fixiert sind.

WIE BEGEGNET THÜGA ENERGIE DIESEN HERAUSFORDERUNGEN?

SPITZ / Zum einen kompensieren wir den Bestand an wechselwilligen Kunden mit einer dynamischen Onlinemarke, die agil genug ist, um den Kunden immer stärker digital zu führen. Vor drei Jahren haben wir sehr erfolgreich den Onlinevertrieb gestartet. Mit einer Dienstleistungsplattform, die Energiekonzepte, Contracting, Stromeigenerzeugung mit Photovoltaikanlagen bis hin zur individuellen Energieberatung bietet, wollen wir unseren Kunden neben der günstigen Energieversorgung einen echten Mehrwert bieten. Zudem richten wir unsere Produkte stärker auf ausgewählte Zielgruppen aus. Hier bieten wir Kommunen spezielle Dienstleistungen in den Bereichen Energie und Telekommunikation an, zum Beispiel öffentliches WLAN und Ladestationen. Ziel ist es, „Rundum“-Versorger für ausgewählte Kundengruppen zu sein. 

WIE REAGIEREN SIE AUF DIE DIGITALISIERUNG?

SPITZ / Wir haben hier eine klare Strategie und nutzen die Digitalisierung als Chance, radikal andere Wege zu gehen, um Kunden zufriedenzustellen. Mit Methoden aus der Industrie wollen wir Kundenprozesse so weit automatisieren, dass nur noch sehr wenige manuelle Eingriffe erforderlich sind. Erste Fortschritte haben wir damit bereits erzielt. So liegt der aktuelle Branchenstandard derzeit bei ungefähr 15 Tagen vom Auftrag bis zum Vertrag. Wir sind dabei, diesen Zeitraum auf unter drei Tage zu senken.

WO SEHEN SIE WEITERE CHANCEN DER DIGITALISIERUNG?

SPITZ / Durch Automatisierung sind wir in der Lage, Rechnungen und Aufträge sehr transparent zu gestalten, aber vor allem auch den Kunden individualisierter anzusprechen. Wir überprüfen, wann und warum ein Kunde einen Bestellvorgang abgebrochen hat; mit solchen Prozessen haben wir uns vor einem Jahr noch gar nicht beschäftigt.

WAS HEISST DAS FÜR DIE ORGANISATION, FÜR DEN EINZELNEN MITARBEITER?

SPITZ / Wie in jeder Organisation sind die Kenntnisse in den Bereichen IT, Content Management oder Onlinemarketing nur auf wenige Köpfe verteilt. Für den noch immer laufenden Veränderungsprozess nutzen wir auch externe Dienstleister. Wir profitieren aber auch davon, Teil des großen Netzwerks der Thüga-Gruppe zu sein, wo wir auf Know-how zurückgreifen können. So können wir hochkomplexe Herausforderungen annehmen und erfolgreich umsetzen.

„Energie kann mehr“
Die Thüga Energie ging 2009 aus dem Zusammenschluss der drei Eigenbetriebe der Thüga AG, dem Gas- und E-Werk Singen, der Thüga Rheinhessen-Pfalz und der Thüga Erdgas Allgäu-Oberschwaben, hervor. Die 100-prozentige Tochter der Thüga AG, München, versorgt über 100.000 Haushalte mit Strom, Erdgas und Wärme. Das Unternehmen bietet Kunden und Kommunen umfassende Beratung bei energetischen Vorhaben. Der Energieversorger vermarktet regenerative Energien, bietet neue Produkte wie Photovoltaikanlagen mit Stromspeichern an und beteiligt sich an Anlagen zur Windkraftnutzung. Thüga Energie betreibt Nahwärmenetze mit hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung. Mit Dienstleistungen zur leistungsfähigen Breitband-Telekommunikation ergänzt Thüga Energie das Produktportfolio. Das Unternehmen beschäftigt rund 90 Mitarbeiter und betreibt Regiocenter in Singen, Bad Waldsee und Schifferstadt. Hauptstandort ist Singen.

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