Interview mit Ralf Heim, Fincite

B2B-FOKUS AUCH BEIM THEMA BANCASSURANCE

Fincite beschäftigt heute knapp 70 Köpfe und erzielt siebenstellige Umsätze mit prominenten Kunden wie der Deutschen Bank oder der ABN AMRO. Als Softwareanbieter für digitale Vermögensverwaltung und -beratung setzt Fincite auf ein reines B2B-Geschäftsmodell und legt seinen Fokus auf die Entwicklung eines maximal skalierbaren und anpassungsfähigen Backend-Produktes. In der Zukunft arbeitet Fincite ebenfalls stärker mit Versicherern und Allfinanzberatern zusammen.

Geschäftsführer und Co-Gründer Ralf Heim spricht im Interview über die Zukunft des Banken- und Versicherungsgeschäfts und erläutert, welche Rolle die Software von Fincite in der Bancassurance spielen kann.

HERR HEIM, 2015 HABEN SIE GEMEINSAM MIT IHREN TEAMKOLLEGEN FINCITE GEGRÜNDET. WIE KAM ES DAZU UND WAS WAREN IHRE BEWEGGRÜNDE?

HEIM / Für unsere eigenen Investments fehlte uns damals die Intelligenz in den Dienstleistungen der Banken. Mein voriges Unternehmen war im Bereich Data Analytics und Business Intelligence unterwegs, mein Partner Friedhelm Schmidt kam aus der Hedgefond-Industrie. Wir hatten uns daher gewundert, warum wir die vielfältigen Möglichkeiten der Analyse und Optimierung, die möglich sind, nicht in unseren Bankdepots finden konnten. Also haben wir Ende 2014 überlegt, eine Software zu entwickeln, mit der Kunden ihr Depot verknüpfen und automatisiert Analysen und Optimierungsvorschläge erhalten können. 

Zu diesem Zeitpunkt standen wir in Kontakt mit Banken und haben gemerkt, dass diese erst einmal damit beginnen wollten, Vermögensmanagement digital anzubieten. Damals kamen gerade die ersten Robo-Advisor auf den Markt. So haben wir uns dann darauf fokussiert, ein skalierbares Backend zu entwickeln, auf dem Banken ihre eigenen Dienstleistungen abbilden konnten. Im ersten Jahr wurden bereits viele Robo-Advisor ins Leben gerufen, später dann auch Applikationen, mit denen Berater kundenindividuelle Portfolien zusammenstellen und ihr Portfoliomanagement vornehmen konnten. 

WELCHE DIFFERENZIERUNGS- UND ALLEINSTELLUNGSMERKMALE SEHEN SIE IM VERGLEICH ZU ANDEREN ANBIETERN AM MARKT?

HEIM / Unsere Software bietet die Möglichkeit, die aggregierten Daten eines Bankkunden aus all seinen Konten und Depots zu verknüpfen sowie weitere Vermögenswerte des Kunden wie beispielsweise seine individuellen Investment-Wünsche zu erfassen. Wir kombinieren dies mit Marktdaten und erzeugen so ein gutes Bild über die Ausgangslage des Kunden. Daraufhin erhält der Kunde oder sein Berater einen kundenindividuellen und volldokumentierten Investmentvorschlag.

Die Bank kann unsere Software intuitiv für unterschiedliche Beratungs- und Vermögensverwaltungskonzepte anpassen und über ihre verschiedenen Kanäle ausspielen. Kunden können so dieselbe Software für einen Portfolio-Health-Check, einen Robo-Advisor oder eine vollautomatisierte Rentenplanung nutzen. Über das Feature der Rentenplanung haben wir uns dann dem Thema Lebensversicherung genähert.

FINCITE GEHÖRT ZU DEN AM LÄNGSTEN AM MARKT VERTRETENEN ROBO-ADVISORN. WIE HABEN SICH AUS IHRER SICHT DER ZEITGEIST UND DER MARKT GEWANDELT?

HEIM / Zu Beginn ging es erst einmal darum, einen rein digitalen Zugang zu Investitionen zu bieten. Mittlerweile erwarten Kunden jedoch sogar von primär digitalen Spielern einen hybriden bzw. Multi-Channel-Ansatz. Dieser Ansatz, in dem Banken, Versicherer oder Finanzvertriebe ein digitales Angebot mit bestehendem Vertrieb und einer Offline-Beratung kombinieren, funktioniert aktuell am besten. Rein digitale Angebote tun sich am Markt derzeit noch schwer.

Für FinTechs im Robo Advice bzw. dem digitalen Wealth Management gilt: Während klassische B2C-Angebote tendenziell weniger erfolgreich sind, wachsen B2B-Softwareanbieter und digitale Vermögensverwalter mit White Label-Angebot schnell. Gleichzeitig beobachte ich bereits auch im B2B-Bereich eine erste Konsolidierung und Professionalisierung des Marktes. Auch hier sind bereits erste Startups aufgrund der hohen technischen und organisatorischen Anforderungen wieder verschwunden. 

LASSEN SIE UNS ZUM THEMA BANCASSURANCE KOMMEN. WIE BEWERTEN SIE DIE AKTUELLE ENTWICKLUNG AM MARKT UND WIE POSITIONIERT SICH FINCITE?

KÜMPER / Der Mehrwert für Versicherungen entsteht vor allem durch unsere Empfehlung. Wir unterscheiden uns dabei deutlich von Vergleichsportalen, bei denen der Kunde eine Vielzahl von Produkten angeboten bekommt und sich eines aussuchen muss. Wir bieten dem Kunden genau eine Versicherung an, nämlich nur das Angebot, das für ihn am besten geeignet ist. Dies ist sehr attraktiv für Versicherungen, da wir für sie den Vertrieb übernehmen. Natürlich gibt es auch heute noch Versicherungen, die nicht direkt mit uns zusammenarbeiten wollen. Diese können wir jedoch über Versicherungspools abdecken.

LASSEN SIE SICH UNS DEM THEMA BANCASSURANCE WIDMEN: WIE BEWERTEN SIE DIE ZUNEHMENDE VERSCHMELZUNG VON BANKEN- UND VERSICHERUNGSDIENSTLEISTUNGEN?

HEIM / Im digitalen Wealth Management dreht sich vieles um Financial Planning, der Fähigkeit, dem Kunden bei dessen individueller Finanzplanung zu unterstützen. Auch bei der Versicherung geht es primär um die Frage, wo ich finanziell heute und morgen stehe und für welche Risiken ich abgesichert bin. Die einzelnen Anlage- und Versicherungsprodukte stehen dabei im Hintergrund. 

Was heute technisch möglich ist anhand eines Beispiels: Der Kunde verknüpft das Konto und das Depot seiner Hausbank auf der Webseite des Versicherers. In Echtzeit wertet der Versicherer mit unserer Software aus, wie viele Ausgaben sein Kunde hat und leitet daraus den Rentenbedarf ab. Im nächsten Schritt kann er den individuell richtigen Mix aus Versicherungs- und Anlageprodukten bestimmen. Mit zunehmendem Alter und Nähe zum Renteneintritt wird diese Schätzung genauer. 

Auf unserer Software werden gerade zudem speziellere Kundenreisen, wie z.B. die Wiederanlage kurz vor Renteneintritt umgesetzt. Die Software ist im Backend dieselbe, nur die Kundenreise sieht komplett anders aus.

Kunden geht es darum, einen passenden dynamischen Vorschlag für die persönliche Absicherung zu erhalten. Welche Produkte dabei zum Einsatz kommen, ist dabei erst im zweiten Schritt relevant. Diese Änderung in der Customer Journey befähigt Banken aktuell Bancassurance-Lösungen wiederzubeleben.

MIT DEM SOFTWAREHERSTELLER MSG LIFE SIND SIE IM BANCASSURANCE-UMFELD TÄTIG UND HABEN EINE LÖSUNG FÜR DIE VERSICHERUNGSWIRTSCHAFT ENTWICKELT. KÖNNEN SIE UNS MEHR ZU DIESER PARTNERSCHAFT UND DEM DARAUS RESULTIERENDEN MARKTANSATZ ERZÄHLEN?

HEIM /  Mit msg life konnten wir einen innovationsfreudigen Partner gewinnen. Zusammen agieren wir vor allem im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung. Hier haben wir eine Lösung entwickelt, die Versicherungen neue Möglichkeiten bei der Beratung, Kundenbindung und dem Vertrieb eröffnet. Ausgangspunkt der Zusammenarbeit ist das webbasierte Self-Service-Portal „msg.Online Insure“. Ähnlich wie das Online-Banking einer Bank bietet das einfach zu bedienende Portal alle Transaktionen rund um eine Lebensversicherung.

WELCHE ROLLE KÖNNEN ROBO-ADVISOR IN EINER BANCASSURANCE-LÖSUNG SPIELEN UND WELCHEN BERATUNGSANSATZ HALTEN SIE HIER FÜR SINNVOLL?

HEIM / Aus meiner Sicht wird die persönliche Beratung auch zukünftig eine entscheidende Rolle spielen. Zu einer guten Interaktion gehört oft auch eine emotionale Komponente, die die jeweilige Lebenssituation des Kunden berücksichtigt. Die Rolle von Robo-Advisorn sehe ich bei den meisten Kundengruppen heute noch darin, dass sie durch ihre Technologie Gespräche im Vorfeld deutlich besser qualifizieren. Wenn ein Berater bereits die gesamte Lebenssituation seines Kunden kennt und ein passendes Produktportfolio parat hat, kann die gesamte menschliche Interaktion wesentlich zielführender gestaltet werden.

KÖNNEN SIE DIES PRÄZISIEREN? WIE KÖNNEN SIE BEISPIELSWEISE IM BANCASSURANCE-KONTEXT DAS THEMA ALTERSVORSORGE PLATZIEREN?

HEIM / Kunden fehlt heute oft die Transparenz darüber, mit welcher Rente sie im Alter planen können. Wann möchte ich in Rente gehen? Mit welchem Rentenalter rechne ich? Welche Rente strebe ich im Alter an? Ist dies genug, um meinen Lebensstandard zu halten? Dies alles sind Fragen, die Endkunden umtreiben. Hier liefert das aktuelle Ausgabeverhalten zusammen mit Spar- und Entnahmeplanlogiken eine gute Möglichkeit, um in Echtzeit eine passende Spar, Anlage- und Absicherungsstrategie zu approximieren. Erst danach kommt die Frage: Welche Produkte brauche ich dafür? Oft ist hier die Antwort ein Mix aus Geldanlage und Rente. Diesen richtigen Mix – im Wealth Management Model Portfolio – kundenindividuell zuzuordnen, ist ebenfalls Teil unserer Software.

DANKE FÜR DIE AUSFÜHRUNGEN. ZUM ABSCHLUSS NOCH EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT: WAS SIND IHRE ZIELE FÜR DIE NÄCHSTEN JAHRE?

HEIM / Wir möchten einer der größten Technologieanbieter für Anlage- und Sparlösungen im europäischen Raum werden. Schon nächstes Jahr werden wir circa 30 Prozent unseres Umsatzes in anderen Ländern als Deutschland erzielen. Wie sind nun in der Niederlande, Belgien, Österreich und in der Schweiz tätig. Aktuell bieten wir unsere Lösungen vor allem Banken an. Mit Versicherern starten wir gerade mit sehr spezialisierten Anwendungsfällen zur Rentenplanung und Wiederanlage (auslaufender Lebensversicherungen). Unser Ziel ist es, auch diese Zusammenarbeit auszubauen.

HERR HEIM, WIR BEDANKEN UNS FÜR DAS GESPRÄCH. WIR WÜNSCHEN FINCITE WEITERHIN VIEL ERFOLG!

In unserer Interviewserie mit jungen, innovativen Unternehmen widmen wir uns dem Thema „Digitale Bancassurance“. Einen Überblick unserer Interviews sowie weitere Informationen zu unserer Sicht auf Bancassurance finden Sie hier.

Kontaktieren Sie uns gerne bei Fragen. Wir freuen uns auf den Austausch.