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Nachhaltigkeit in der Produktentwicklung von Versicherungsunternehmen

+++ Versicherer müssen Produkte nachhaltig gestalten +++ Strategische Positionierung ist dabei Ausgangsbasis +++ Nachhaltigkeit sollte ganzheitlich integriert werden +++ Potenzial-, Kosten- und Nutzenanalysen sowie ein einheitliches Produktverständnis unabdingbar +++

In einer Zeit, in der die Auswirkungen des Klimawandels immer präsenter werden und gesellschaftliche Verantwortung an Bedeutung gewinnt, stehen auch Versicherungsunternehmen vor der Herausforderung, ihre Produktentwicklung nachhaltig auszurichten. In den letzten Jahren hat der regulatorische Druck spürbar zugenommen, nicht zuletzt aufgrund des wachsenden Bewusstseins für die Relevanz von Nachhaltigkeit. Internationale Gesetzesvorhaben und Initiativen wie die EU-Taxonomie, CSRD, SFDR, ISSB und die Principles for Sustainable Insurance sind maßgebliche Treiber, die direkte oder indirekte Auswirkungen auf Versicherungsprodukte haben. Versicherer sollten diese Herausforderungen als Chance sehen und sich strategisch entsprechend im Markt positionieren. 

Darum sollten sich Versicherer mit dem Thema nachhaltige Produktentwicklung beschäftigen

Die Regulatorik ist aus der Versicherungswirtschaft kaum wegzudenken. So werden bereits seit einigen Jahren Nachhaltigkeitsaspekte auf EU-Ebene für Versicherungsunternehmen vorgeschrieben und auf Länderebene konkretisiert. Ebenso kann damit gerechnet werden, dass sich die Anforderungen in der Zukunft verschärfen. 

Nachhaltige Produktentwicklung sollte dennoch auch als Chance wahrgenommen werden. Mit guter Vorbereitung und rechtzeitiger strategischer Positionierung bietet die Integration von Nachhaltigkeit eine Reihe von Vorteilen. So ist beispielsweise damit zu rechnen, dass Vergleichsportale nachhaltigkeitsorientierte Komponenten mittelfristig bei Versicherungsprodukten als Kriterium einführen. Als sogenannte First Mover können Versicherer so über ihr nachhaltiges Versicherungsportfolio ihre Marke erheblich stärken. In diesem Zusammenhang ist auch der Reputationsgewinn ein entscheidender Faktor. Kunden, Geschäftspartner und die Öffentlichkeit entwickeln ein größeres Vertrauen, wenn Nachhaltigkeitsthemen von Versicherern aktiv vorangetrieben werden. Diese zwei Beispiele verdeutlichen bereits, dass sich frühes Handeln lohnt, um sich rechtzeitig als nachhaltiges Unternehmen in den Köpfen der Stakeholder zu verankern.  

Herausforderungen: Hürden auf dem Weg zu nachhaltiger Produktentwicklung

Regulatorische Anforderungen, Kundennachfrage, Transparenz über Nachhaltigkeit gegenüber Kunden, Wettbewerb und höhere Kosten können Herausforderungen sein, denen sich die Versicherer stellen müssen. Im Folgenden werden die zentralen Herausforderungen Regulatorik und Kundennachfrage näher beleuchtet. 

Regulatorik 

Unterschiedliche regulatorische Anforderungen und Initiativen haben direkten oder indirekten Einfluss auf die Entwicklung von nachhaltigen Versicherungsprodukten. 

  • EU-Taxonomie: Vordefinierte Kriterien müssen erfüllt werden, damit ein Versicherungsgeschäft als nachhaltig eingestuft werden kann. Die Gestaltung des Produkts spielt dabei eine wesentliche Rolle. 

  • Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR): Die Kapitalanlagen der Versicherer müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um als nachhaltig deklariert zu werden. Hiervon sind vor allem Versicherungsanlageprodukte betroffen. 

  • Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD): Nachhaltige Versicherungsprodukte haben einen positiven Einfluss auf die zu berichtenden KPIs im Rahmen der CSRD. 

  • IFRS Sustainability Disclosure Standards: Wie bei der CSRD haben Versicherungsprodukte ebenso positiven Einfluss auf die Metriken, die nach IFRS S1 berichtet werden. 

  • Principles for Sustainable Insurance (PSI): Die freiwillige Teilnahme an Initiativen wie den PSI fördert und fordert die Entwicklung von nachhaltigen Versicherungsprodukten. 

Die verschiedenen regulatorischen Anforderungen erhöhen die Komplexität bei der Produktentwicklung. Es ist daher wichtig, die Anforderungen herunterzubrechen und Wechselwirkungen bzw. Synergien zwischen den Anforderungen zu identifizieren. Aufgrund der Fülle an Anforderungen empfiehlt sich für Versicherer eine Priorisierung, welche Kennzahlen als besonders wichtig erachtet werden. Diese erfolgt bestenfalls im Einklang mit dem kurz- bis mittelfristigen Zeitplan der nachhaltigen Transformation. 

Kundennachfrage 

Ein Grund für eine eher geringe Kundennachfrage liegt darin, dass Kunden bei der Suche nach nachhaltigen Versicherungsprodukten oft noch Transparenz fehlt. Kunden, die umweltbewusste Entscheidungen treffen möchten, haben Schwierigkeiten, Produkte mit klaren Nachhaltigkeitskriterien zu identifizieren. Die mangelnde Standardisierung der Nachhaltigkeitsinformationen und die Vielfalt der verwendeten Begriffe erschweren den Vergleich. 

Darüber hinaus sind Versicherer mit einer geringen Zahlungsbereitschaft konfrontiert. Empirische Studien zeigen, dass Kunden zwar nachhaltige Produkte wünschen, aber gerade im Finanzdienstleistungssektor kaum oder gar nicht bereit sind, dafür einen Aufpreis zu bezahlen. Eventuell notwendige Aufpreise zur Finanzierung der Nachhaltigkeitsbemühungen wirken sich daher aktuell negativ auf die Absatzmenge aus. Versicherer, die nachhaltige Produkte anbieten wollen, müssen auch hier eine ökonomische Lösung finden. 

Die Entwicklung von nachhaltigen Versicherungsprodukten erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise

Die bestehende Nachhaltigkeitsstrategie bildet hierbei den Rahmen für die Produktstrategie und legt die Leitprinzipien für die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Versicherungsprodukte fest. Die folgende Abbildung verdeutlicht das Wechselspiel zwischen der Nachhaltigkeits- und Produktstrategie von der anfänglichen Analyse hin zur operativen Umsetzung. Beide Strategien müssen gesamthaft betrachtet werden. 

Auf Basis der Nachhaltigkeits- und Produktstrategie, ist eine sorgfältige Bewertung der Potenziale der Versicherungsprodukte und eine gründliche Kosten-Nutzen-Analyse zu empfehlen. Dieser analytische Ansatz gewährleistet nicht nur eine fundierte Entscheidungsfindung, sondern ermöglicht auch die gezielte Identifizierung von Möglichkeiten, um die ökologische und soziale Wirkung der Versicherungsprodukte zu verbessern. Folgende Überlegungen sind hierbei im Zuge der Produktentwicklung empfehlenswert, um das Potenzial zu analysieren und zu bewerten: 

  • Welche Zielgruppe legt besonderen Wert auf Nachhaltigkeit und welche Versicherungsprodukte kauft diese besonders häufig? 

  • Welche Datenquellen sind verfügbar, um die Nachhaltigkeitsaspekte des Produktes zu bewerten? 

  • Welche Auswirkungen würde die Umsetzung einzelner nachhaltiger Komponenten auf die eigene Reputation und die eigene Wettbewerbsposition haben?  

  • Welche Möglichkeiten bestehen, um Nachhaltigkeitsaspekte in das Versicherungsprodukt zu integrieren? Beispiele könnten sein: 
    - Anpassung der Prämienstruktur: Incentivierung bei der Prämienzahlung für nachhaltiges Verhalten durch die Versicherungsnehmer 
    - Nachhaltigkeit in der Schadenregulierung: Bei der Auswahl der Dienstleister werden umweltfreundliche Praktiken als Kriterium aufgenommen 
    - Option zur Nachhaltigkeit im Schadenfall: Gegen einen Aufpreis wird dem Versicherungsnehmer gegenüber zugesichert, dass im Schadenfall eine umweltfreundliche Reparatur oder Wiederherstellung geboten wird  

Auf Basis der Analyse und Bewertung kann ein nachhaltiges und zugleich kosteneffizientes Produkt konzipiert werden. Bei der Erstellung dieses Konzepts ist es besonders wichtig, die beteiligten Funktionen mit einzubeziehen und frühzeitig ein gemeinsames und widerspruchsfreies Produktverständnis zu schaffen. 

Für die Implementierung empfiehlt sich ein Framework, das ein einheitliches Produktverständnis fördert und in allen betroffenen Unternehmensbereichen verankert. In der folgenden Abbildung ist ein konkreter, praxiserprobter Ansatz abgebildet. Beim „Horváth Insurance Products Framework“ spielen neben der Klärung von Verantwortlichkeiten und der transparenten Kommunikation zusätzlich übergeordnete Ziele eine zentrale Rolle. Hierzu zählen neben Nachhaltigkeit der eigentliche Kundenbedarf, die Prozesssicht, anstehende Digitalisierungsvorhaben und -ziele sowie, nicht zu vergessen, die geforderte Profitabilität. Die Produktentwicklung wird idealerweise durch ein agiles Zielmanagement-Framework wie OKR begleitet, das sich Top-down aus den Nachhaltigkeitszielen ergibt und auf das Produktmanagement heruntergebrochen wurde. Dies fördert die kontinuierliche Weiterentwicklung der Produkte hin zu einem wirklich nachhaltigen Produkt. 

Fazit

Das Thema Nachhaltigkeit hat in den letzten Jahren auch für Versicherungsunternehmen deutlich an Bedeutung gewonnen. Nicht zuletzt die regulatorischen Anforderungen durch den Gesetzgeber haben einen Handlungsdruck erzeugt, nachhaltiges Handeln entlang der gesamten Wertschöpfungskette umzusetzen. So ist die Produktentwicklung als Bestandteil des Kerngeschäfts ein zentrales Element der nachhaltigen Transformation. Daher ist es essenziell für Versicherer, einen ganzheitlichen Ansatz zu wählen, um die Versicherungsprodukte nachhaltig zu gestalten. Angefangen bei Grundsatzentscheidungen, wie z. B. der Auswahl von geeigneten Nachhaltigkeitskomponenten, über die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit bis hin zur Operationalisierung der Ziele und langfristigen Steuerung. Horváth hat sich entlang des gesamten Prozesses als Experte für eine ganzheitliche Produktentwicklung bei Versicherern etabliert. Bei Fragen oder für weitere Unterstützung laden wir Sie herzlich ein, Kontakt mit uns aufzunehmen. 

Zaidi, J. /  Mägebier, A.