Michaela Hettinger, Executive Vice President Global HR bei der SMA Solar Technology AG, im Interview

„Global betrachtet beginnt die Energiewende gerade erst – dieses Potenzial können wir nur mit People-Investments ausschöpfen.“

Michaela Hettinger, Executive Vice President Global HR bei der SMA Solar Technology AG, im Interview mit Roxana Boramir, Partnerin bei Horváth.

Die Konjunktur trübt sich ein. Was bedeutet das für Investitionen und Maßnahmen in Personal? Ist damit zu rechnen, dass das Engagement wieder zurückgefahren wird, beziehungsweise nicht weiter ausgebaut?

Hettinger / Bei SMA werden wir in den kommenden Monaten und Jahren weiter in unsere derzeitigen und künftigen Mitarbeitende investieren. Natürlich beobachten wir, was im wirtschaftlichen Umfeld, in unseren Märkten passiert und sehen auch, dass die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland stockt. SMA hat als globales Unternehmen allerdings Wachstumsambitionen, sowohl in Deutschland als auch international. Photovoltaik ist weltweit die Stromerzeugungsart mit dem größten Potenzial. Das macht unsere Produkte und Lösungen sehr gefragt.

In Kassel bauen wir beispielsweise einen weiteren Produktionsstandort auf. Hierfür werden wir weiterhin Personal brauchen. Global betrachtet beginnt die Energiewende zudem gerade erst. SMA investiert daher an allen Standorten in die HR-Arbeit, um dieses Potentiale ausschöpfen zu können.

Wie können sich Unternehmen in den aktuellen Zeiten des „War for Talents“ abheben?

Hettinger / Die Suche nach Talenten ist für alle Unternehmen ein Riesenthema. Ganz besonders für Technologieunternehmen wie SMA. Umso wichtiger ist es, Wettbewerbsvorteile zu nutzen. Das gelingt uns bei SMA vor allem durch unseren starken „Purpose“. Wir sind ein Motor der Energiewende mit innovativen Produkten und Lösungen. Das macht uns attraktiv für viele junge Talente, die nicht nur durch ihr Alltagsverhalten, sondern auch in ihrem Beruf Klimaschutz und Nachhaltigkeit voranbringen wollen. Um solche engagierten Mitarbeitende an Bord zu holen, unterstreichen wir auch beim Employer Branding und Recruiting die Nachhaltigkeitsdimension unserer Arbeit. Das geht Hand in Hand mit einer wertschätzenden Unternehmenskultur und einer wettbewerbsfähigen Vergütung.

„Führungsfähigkeit ist kein Naturtalent und auch kein Selbstläufer.“

Führung ist ein wichtiger Aspekt in Bezug auf Mitarbeiter. Was ist ihr Tipp als HR-Expertin?

Hettinger / Führung bleibt auch in der agilen Arbeitswelt ein zentrales Thema. Führungsfähigkeit ist in der Regel kein Naturtalent und auch kein Selbstläufer. Führung will gelernt sein. Unsere Führungskräfte bei SMA haben erkannt, dass fachliche Kompetenz nicht reicht. Sie wissen, dass die Befähigung von Menschen und Teams integraler Teil ihrer Aufgabe im Unternehmen ist.

Das erfordert nicht nur, voranzugehen oder zu motivieren. Wichtig ist zum Beispiel auch: individuelle Potentiale erkennen und fördern, bei Krisen helfen oder etwa auch Defizite im Teamplay überwinden. Jede Führungskraft muss sich die hierzu notwendigen Fähigkeiten aneignen und sie immer wieder ergänzen. HR hat die Aufgabe, die Führungskräfte bei der Führungsarbeit wie bei der Qualifizierung gezielt und professionell zu begleiten.

Wie gehen Sie bei SMA mit den besonderen Anforderungen, Einstellungen, Verhaltensweisen von älteren Generationen um?

Hettinger / Für uns ist es wichtig, in unserer Personalarbeit und auch im Recruiting alle Altersgruppen anzusprechen. Das ist angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt absolut unverzichtbar. Aber nicht nur das: Unterschiedliche Generationen in Teams, wie im gesamten Unternehmen, sind auch eine große Chance, weil sie oft unterschiedliche Perspektiven, Erfahrungen und Herangehensweisen zusammenführen. Darum bringt uns Vielfalt insgesamt weiter, zumal ja auch unsere Kundenvielfältig sind.

„Für individuelle und komplexe Fälle in der HR ist KI noch nicht ausgereift.“

Welches Potenzial sehen Sie beim Thema KI?

Hettinger / Digitalisierung ist für die HR-Arbeit absolut nicht mehr wegzudenken. Auch Künstliche Intelligenz müssen Personalprofis auf dem Schirm haben. Sie macht Riesenfortschritte, vor allem bei wiederkehrenden Abläufen in der Personalarbeit. Bei der HR-Arbeit geht es allerdings nach wie vor in vielen Bereichen nicht nur um Standardprozesse, sondern um Individuen und Einzelfälle, um individuelle Diagnostik und Problemlösungen. Und hier ist KI vielfach noch nicht ausreichend leistungsfähig. Aber ich bin sicher, dass KI lernen wird, immer komplexere Aufgaben zu lösen. Das sehen wir heute schon beispielsweise in der Medizin und das wird auch in HR so sein.

„In People-Themen braucht der Vorstand keine Nachhilfe.“

Welchen Stellenwert haben People-Handlungsfelder bei SMA? Wie arbeiten Sie auf Führungsebene gemeinsam an den Herausforderungen?

Hettinger / People-Themen haben bei uns einen sehr hohen Stellenwert, schon aus der Historie heraus. Nach der Gründung vor mehr als 40 Jahren musste SMA als innovatives und schnell wachsendes Technologieunternehmen wir auf die Kreativität, den Einsatz und die Verantwortung jedes Einzelnen setzen. Diese Einstellung gibt es bei SMA noch heute. Darum braucht der Vorstand hier keine Nachhilfe. Ganz im Gegenteil: Bei uns ist es die Spitze, die People-Themen vorantreibt – zumal jeder bei SMA tagtäglich erlebt, dass wir unsere großen Wachstumspotentiale nur ausschöpfen können, wenn wir motivierte und fähige Mitarbeitende für uns gewinnen und an Bord halten.

Was begeistert Sie an Ihrer Rolle als Executive Vice President Global HR?

Hettinger / Ich bin natürlich am wirtschaftlichen Erfolg unseres Unternehmens interessiert, und auch aktiv beteiligt. Wenn ein Unternehmen nachhaltig wächst, dann sind es auch die Mitarbeitenden, die wachsen. Das bedeutet: Betriebswirtschaftliche Ziele werden nur erreicht, wenn die Menschen mit ihren Bedürfnissen und Potentialen im Mittelpunkt stehen – sei es als Kunden oder als Mitarbeitende.

Für mich ist es das Größte, wenn Mitarbeitende persönliche Stärken oder Fähigkeiten entwickeln, die sie bisher an sich nicht kannten oder sich zugetraut haben – wenn ich als Personalerin dabei helfen kann, dass Menschen sich persönlich entwickeln. Als gelernte Psychologin glaube ich fest daran, dass in jedem Menschen und auch in jedem Team wertvolle Potenziale stecken. HR muss jedem professionelle Unterstützung bieten, diese Möglichkeiten auszuschöpfen. Wenn dies gelingt, dann Bingo!

Über Michaela Hettinger:

Michaela Hettinger verantwortet seit Mitte der 90er Jahre strategische und operative HR-Funktionen in mittelständischen Unternehmen und internationalen Konzernen. Sie ist seit 2022 Executive Vice President Global HR bei der SMA Solar Technology AG, einem der weltweit führenden Unternehmen für Photovoltaik-Systemtechnik mit Firmensitz in Niestetal bei Kassel. Zuvor leitete die studierte Psychologin den HR-Bereich beim Vermögensverwalter Flossbach von Storch. Von 2000 bis 2018 war Hettinger beim Automobilkonzern Daimler in Berlin, Singapur, Stuttgart und Rom in leitenden Funktionen tätig. Die ersten Berufserfahrungen sammelte Hettinger bei Randstad in München und im Executive Search beim Kölner Personalberater IFP.