Automation Insights

Der Handlungsdruck steigt: Ökologische Nachhaltigkeit und Energieeffizienz in der Automatisierungs-, Antriebs- und Elektrotechnik

Der European Green Deal, die United States Sustainable Development Goals, das Pariser Klimaabkommen – es gibt inzwischen unzählige Initiativen und Gesetze zur Förderung ökologischer Nachhaltigkeit. Der konsequente Einsatz energieeffizienter und klimafreundlicher Technologien ist zur Erreichung der darin formulierten Ziele und Vorgaben unabdingbar und bildet zudem eine optimale Ausgangslage, um auch perspektivisch noch strengere Regularien hinsichtlich Nachhaltigkeit zu erfüllen. Bei Unternehmen aus der Automatisierungs-, Antriebs- und Elektrotechnik steht das Thema Nachhaltigkeit nach digitaler Transformation und struktureller Kostenoptimierung inzwischen an dritter Stelle der aktuellen Management-Agenda, wie die Horváth CxO-Priorities Studie 2021 zeigt. Diese hohe Priorisierung existiert nicht ohne Grund: Verstärkt auf nachhaltige und energieeffiziente Technologien zu setzen, bietet massive Wettbewerbsvorteile sowie einen weltweiten Billionenmarkt. Wir geben Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Zusammenhänge und Fakten.

Energieeffizienz – mehr als nur Kostensenker

Die Steigerung der Energieeffizienz beschäftigt Industrieunternehmen seit vielen Jahren. Bis vor einigen Jahren lag hierbei vor allem ein Ziel im Fokus: die Kostensenkung. Mit effizienteren Technologien ließen sich in erster Linie enorme Mengen an Energiekosten im Bereich der Produktion einsparen. An der Tatsache, dass Energieeffizienz große Potenziale für Kostensenkungen bietet, hat sich bis heute auch noch nichts geändert, ganz im Gegenteil: Die Preise für Energieträger schnellen weiterhin in die Höhe. Seit dem Jahr 2000 hat sich der Industriestrompreis je Kilowattstunde (kWh) in Deutschland mehr als verdreifacht. Experten beziffern daher auch heute noch das Einsparpotenzial durch energieeffizientere Technologien auf bis zu 40 Prozent.

Neue Technologien für ein ökologisches Unternehmensprofil

Für die Unternehmen gibt es heute jedoch weit mehr Motivationsfaktoren für die Steigerung der Energieeffizienz als die reine Kostenreduktion. Mit einer hohen Energieeffizienz lässt sich die eigene CO2-Bilanz aufbessern und das gesamte unternehmenseigene Nachhaltigkeitsverständnis stärken. Ein ökologisches Unternehmensprofil ist nicht nur für potenzielle Kunden ein zunehmend relevantes Kaufkriterium und fördert die positive öffentliche Wahrnehmung des eigenen Unternehmens – auch Investoren und Geschäftspartner achten zunehmend auf Nachhaltigkeitsfaktoren. Durch neue Technologien aus dem Bereich Industrie 4.0 und Smart Manufacturing ergeben sich zudem ganz neue Möglichkeiten, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit miteinander zu verzahnen – bis hin zur Erschließung neuer Geschäftsfelder und Entwicklung von Innovationen.

Nachhaltigkeit und Energieeffizienz als maßgeblicher Wettbewerbsfaktor in der Automatisierungs-, Antriebs- und Elektrotechnik

Das Handlungsfeld „Energieeffizienz und Nachhaltigkeit“ gewinnt daher gerade für Unternehmen aus dem Bereich der Automatisierungs-, Antriebs- und Elektrotechnik immer höhere Relevanz: Einerseits lässt sich durch entsprechende Optimierungen die Effizienz sowie die Nachhaltigkeit der eigenen Produktion enorm verbessern, andererseits können mit der erhöhten Energieeffizienz auch die eigenen Produkte aufgewertet werden. Durch eine hohe Energieeffizienz generieren die Produkte einen zusätzlichen Nutzen für die Kunden, indem sie dazu beitragen, deren Effizienz zu steigern und beispielsweise CO2-Emissionen zu reduzieren. CO2-Reduktion hat sich mittlerweile zum maßgeblichen Wettbewerbsfaktor bis hin zum Ausschlusskriterium bei Nichterfüllung von Kundenerwartungen entwickelt. Ein Beispiel dafür sind strenge Nachhaltigkeitsvorgaben für die Lieferkette. So verpflichtet Volkswagen seine Partnerunternehmen dazu, die eigenen Treibhausgasemissionen sowie die Emissionen entlang der gesamten Lieferkette zu reduzieren und auf Anfrage konkrete Zahlen zum Gesamtenergieverbrauch sowie zum CO2-Austoß transparent darzulegen. Auch der Druck auf Führungskräfte wächst: Laut dem Advisory-Unternehmen Willis Towers Watson hat bereits mehr als jedes Zehnte der 350 größten europäischen Unternehmen Boni zumindest teilweise an die Reduktion von CO2-Emissionen gekoppelt.

Gigantisches Marktpotenzial im Bereich Dekarbonisierung

Gerade die Reduktion der CO2-Emissionen bietet enormes Potenzial für weitere Geschäftstätigkeiten. Dies bekräftigt auch Hartmut Rauen, stellvertretender Geschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Er spricht von einem Marktpotenzial der Dekarbonisierung von mehr als 300 Milliarden Euro pro Jahr bis ins Jahr 2050. Laut dem Branchenverband Bitkom spielt im Rahmen der Dekarbonisierung insbesondere die Automatisierungstechnik eine entscheidende Rolle. Unternehmen aus dieser Branche könnten somit nicht nur das gigantische Marktpotenzial abschöpfen, sondern überdies einen Beitrag dazu leisten, die CO2-Bilanz und Effizienz ganzer Industrien zu verbessern. Damit würde ihnen auch wirtschaftspolitisch eine Schlüsselrolle zufallen, denn allein der deutsche Maschinenbau sowie die Elektroindustrie emittierten 2018 zusammen fast 3,5 Millionen Tonnen CO2-äquivalente Treibhausgase.

Warum die Transformation umgehend einzuleiten ist

Die Transformation Richtung Nachhaltigkeit gilt es umgehend einzuleiten. Zum einen zeigen die gerade aufgeführten Statistiken eindeutig, dass der deutsche Maschinenbau sowie die deutsche Elektroindustrie eine im Vergleich zu anderen Branchen besonders stark verbesserungswürdige Bilanz hinsichtlich ihrer Treibhausgasemissionen aufweisen. Zum anderen haben Anlagen im Maschinenbau verglichen mit anderen industriellen Produkten eine besonders lange Abschreibe- beziehungsweise Lebensdauer. Bei pneumatischen Automatisierungsanlagen beträgt diese beispielsweise zwölf Jahre, wobei die tatsächliche Lebensdauer meist noch deutlich darüber hinausgeht. Um die langfristigen strategischen Ziele, etwa CO2-Neutralität bis 2030, zu erreichen, müssen Investitionen in Maschinen umgehend zum zentralen Steuerungselement gemacht werden. Auch Investitionen in die Erneuerung von nicht-energieeffizienten Produktionsanlagen sollten in Erwägung gezogen werden. Laut dem Konzern Bosch, fallen beispielsweise 15 bis 20 Prozent des Energieverbrauchs in der Produktion auf die Erzeugung von Druckluft für die Produktion. Modernisierungen ineffizienter Produktionsanlagen stellen somit einen starken Hebel für Einsparungen dar.

„Wer im Jahre 2030 CO2-neutral sein möchte, muss jetzt aktiv werden“, fasst Daniel Kittelberger, Leiter des Business Segments Automatisierungs-, Antriebs-, und Elektrotechnik bei Horváth zusammen. „Je früher der Start, desto höher sind die realisierbaren Einspar- und Differenzierungspotenziale. Energieeffizienz in Kombination mit Smart Manufacturing und Industrie 4.0 sind hierfür wesentliche Befähiger.“

Smart Manufacturing und Industrie 4.0 als Schlüsseltechnologien für die Energieeffizienz

Die Anschaffung moderner und effizienter Technologien ist der Schlüssel zur Hebung der Einsparungs- und weiterer Marktpotenziale. Doch wie kann das eigene Unternehmen konkret vorgehen, um mithilfe moderner Produktionstechnologien die Energieeffizienz zu steigern? Zahlreiche Beispiele zeigen, dass Smart Manufacturing und Industrie 4.0 beim Thema Energieeffizienz schon heute und auch zukünftig eine wesentliche Rolle spielen werden. Diese Ansicht wird auch durch den Branchenverband Bitkom bestätigt, so ist laut einer Studie die Mehrheit der deutschen Industrieunternehmen überzeugt, dass Industrie 4.0 zu mehr Effizienz und Nachhaltigkeit in der Produktion führen wird. Fast drei Viertel der befragten Unternehmen sind zudem der Ansicht, dass Industrie 4.0 den CO2-Ausstoß maßgeblich verringert. Auch quantitative Studienergebnisse decken sich mit diesem Bild: So könnten in der industriellen Fertigung durch eine beschleunigte Digitalisierung bis ins Jahr 2030 insgesamt 61 Megatonnen CO2 eingespart werden, rechnet Bitkom vor.

Zur Steigerung der Effizienz und Förderung von Nachhaltigkeit – verbunden mit einer Reduktion der CO2-Emissionen – gibt es in diesem Zusammenhang verschiedene Einsatzszenarien für Smart Manufacturing und Industrie 4.0. Folgende Beispiele veranschaulichen spannende Ansätze:

  • Bosch: Durch die intelligente Auswertung von Sensordaten mithilfe der Software Nexeed, konnten im Werk Homburg Senkungen des Energiebedarfs um 40 Prozent und damit verbunden jährliche Einsparungen in Höhe von 800.000 Euro erzielt werden.
  • Ericsson: Die Nutzung von Internet-of-Things-Sensoren (IoT) zur besseren Koordination der Kühl- und Heizsysteme führte zu einer Reduktion der Heiz- und Kühlkosten zwischen zehn und 20 Prozent. Durch den Einsatz von Augmented Reality im Bereich der Leiterplattenprüfung wurden außerdem Materialeinsatz und Ausschuss reduziert.
  • BASF: Der Einsatz eines prädiktiven Emissions-Management-Systems auf Basis neuronaler Netzwerke ermöglicht in China die Vorhersage zukünftiger Emissionen. Bei im Forecast auftretenden Anomalien können so direkt die notwendigen Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.

Aber auch durch übergeordnete Unternehmensstrategien, Innovationen und Energieeffizienz in den eigenen Produkten oder durch Modernisierungsmaßnahmen kann das Thema Nachhaltigkeit und Energieeffizienz angegangen werden, wie die folgenden Beispiele zeigen:

Wie hoch ist Ihr Handlungsdruck – müssen Sie aktiv werden?

Letztendlich sollte das Themenfeld Nachhaltigkeit und Energieeffizienz in der Strategie jedes Unternehmens verankert sein – unabhängig davon, ob die Hauptmotivation in Marktpotenzialen oder der Grundüberzeugung liegen, dass die gesellschaftliche und damit auch unternehmerische Verantwortung einen schonenden und überlegten Umgang mit Ressourcen gebietet. Mithilfe der folgenden Leitfragen stellen wir Ihnen eine erste kompakte Entscheidungshilfe bereit, anhand derer Sie für sich definieren können, wie hoch Ihr individueller Handlungsdruck ist:

  • Wurden in Ihrem Unternehmen bereits Nachhaltigkeitsziele definiert?
  • Liegen Daten zum Energieverbrauch in der Produktion beziehungsweise in den eigenen Produkten vor und können diese ausgewertet werden?
  • Wurden basierend auf den Daten bereits Optimierungspotenziale identifiziert oder konkrete Maßnahmen im Bereich Energieeffizienz & Nachhaltigkeit umgesetzt?

Sollten Sie eine oder mehrere Fragen mit „Nein“ beantworten, ist unsere Empfehlung:

Sie sollten auf jeden Fall zeitnah Nachhaltigkeitsziele definieren, damit Sie das Thema Nachhaltigkeit in Ihrer Unternehmens-DNA verankern können. Es gilt dabei, zunächst übergeordnete, realistische und gleichzeitig ambitionierte Ziele zu definieren. Basierend auf diesen Zielen lassen sich anschließend Handlungsfelder ableiten.

Sollten Sie bereits Nachhaltigkeitsziele definiert haben, ist ein wichtiger Grundstein gelegt. Nun ist es wichtig, zügig die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Die Erfassung von Daten zur Energieeffizienz der Produkte und der Produktion kann dabei unterstützen. Basierend auf den Daten lassen sich Optimierungspotenziale erkennen und die notwendigen Maßnahmen können definiert werden.

Sollten bereits Daten zur Energieeffizienz vorliegen – umso besser, dann gilt es diese nun korrekt zu interpretieren und die optimalen Lösungen zu erarbeiten.

Wenn Sie alle Fragen mit „Ja“ beantworten können, sagen wir Ihnen: Sie sind bereits auf dem richtigen Weg und haben viele wichtige Schritte eingeleitet. Es gilt nun möglicherweise noch offene Maßnahmen abzuschließen sowie weiterhin die unternehmensinternen Entwicklungen, aber auch externe Entwicklungen – wie Markttrends, Kundenerwartungen und Gesetze im Bereich Energieeffizienz und Nachhaltigkeit – zu beobachten und gegebenenfalls notwendige Maßnahmen abzuleiten und umzusetzen.

Kittelberger, D. / Mayer, J.